Tagesfahrt Rheinhessen

Kürzlich unternahm der Friedberger Geschichtsverein eine von Hans Wolf geleitete Tagesfahrt nach Rheinhessen. Rheinhessen bildet geografisch den nördlichen Abschluss des Oberrheingrabens. Wie auf der Fahrt erläutert wurde, kam dieses linksrheinische Gebiet nach dem Wiener Kongress 1816 an das Großherzogtum Hessen-Darmstadt und blieb nach dem 1. Weltkrieg Teil des Volksstaats Hessen bis zu dessen Auflösung im Dritten Reich. Nach dem 2. Weltkrieg gelangte das Gebiet an das Land Rheinland-Pfalz. Eines der Exkursionsziele waren die markanten Dorfkirchen im mittleren Rheinhessen. Bechtoltsheim hat eine spätgotische, einer adeligen Ganerbschaft gehörende Kirche mit einem Gestühl aus dem Ende des 15. Jahrhunderts, somit aus einer Zeit, als in anderen Kirchen die einfachen Gottesdienstbesucher noch stehen mussten. Der örtliche Pfarrer gab der Friedberger Gruppe in schönstem Rheinhessisch einige Erläuterungen zu seiner „Kersch“.

Hans Wolf mit der Reisegruppe auf dem Marktplatz von Oppenheim, im Hintergrund das Wahrzeichen der Stadt, die Katharinenkirche. Foto: Achim Meisinger

Wie in Bechtoltsheim ist das Gotteshaus der ehemaligen kleinen Reichsstadt Gau-Odernheim aus dem 13./14. Jahrhundert eine von Katholiken und Protestanten gemeinsam genutzte Simultankirche, jedoch sind in Gau-Odernheim katholischer und evangelischer Teil durch eine Mauer getrennt. Einen Blickfang bildet das nahe der Kirche stehende Stadtschreiberhaus, ein Fachwerkbau aus dem Beginn des 17. Jahrhunderts mit dem Reichsadler auf einem markanten Erker. In Dittelsheim fällt der neben der barocken Kirche stehende Heiden- oder Sarazenenturm mit einer ungewöhnlichen Kuppel auf, die ursprünglich auf den Einfluss der Kreuzzüge zurückgeführt wurde, deren Entstehung inzwischen aber schon auf etwa 1080 datiert wird. In Bechtheim steht mit der St. Lambertus-Basilika eine aus dem 11./12. Jahrhundert stammende romanische Wallfahrtskirche. Alzey war Residenzstadt der Pfälzer Kurfürsten, bevor ihr Schloss, wohl schon im 13. Jahrhundert errichtet, im Pfälzischen Erbfolgekrieg 1689 niederbrannte und sie nach Heidelberg umzogen. Das Alzeyer Schloss wurde später von den hessischen Großherzögen wieder aufgebaut. In der Nähe von Alzey befand sich von März 1933 bis Juli 1934 das Konzentrationslager Osthofen, in dem Gegner des NS-Regimes mit Demütigungen und Misshandlungen „umerzogen“ werden sollten. Anders als die später eingerichteten Vernichtungslager wurde diese frühen Lager nicht vor der Öffentlichkeit verborgen gehalten, sondern sollte auf mögliche Abweichler abschreckend wirken. Unter den Häftlingen waren fünf in Friedberg und seinen heutigen Stadtteilen lebende Bürger. Für die Gruppe des Geschichtsvereins war der Besuch der Gedenkstätte ein beklemmendes Erlebnis. Die ehemalige Reichsstadt Oppenheim weist eine mit Friedberg vergleichbare mittelalterliche Geschichte auf. Ihr Wahrzeichen, die Katharinenkirche mit einem Baubeginn um 1220, zeigt sich in Teilen noch romanisch, im Übrigen gotisch und ist insofern von Straßburg beeinflusst. Aus Nackenheim stammte Carl Zuckmayer, dessen Erfolgsstück „Der fröhliche Weinberg“ aus dem Jahr 1925 im Weingut Gunderloch spielt. Das Weingut wird heute von Nachkommen des Gründers, Jean Baptist Gunderloch, betrieben. Dort kehrte die Friedberger Gruppe zum Abschluss der gelungenen Fahrt zu einer Betriebsführung und zu einer Weinprobe ein, während der Hans Wolf Passagen aus dem „fröhlichen Weinberg“ vortrug.

 

Reinhard Schartl

 

Siehe Wetterauer Zeitung 28. Juni 2023

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