Dr. Lindenthal – Die „Minerva von der Pfingstweide“ kennengelernt
Wenn der Friedberger Geschichtsverein Neuigkeiten zur Archäologie der Wetterau zum Inhalt seiner Vorträge hat, dann kann man stets mit einer großen Besucherzahl rechnen. So war es auch am vergangenen Donnerstag, als der Kreisarchäologe Dr. Jörg Lindenthal zum Thema „Kelten – Römer – Germanen – die Jahrhunderte um Christi Geburt“ die Zuhörer gekonnt in seinen Bann zog.
Dr. Lindenthal sprach zunächst einführend vor dem Hintergrund der historischen Ereignisse der Germanenkriege Roms unter den Heerführern Drusus (12 – 8 v. Chr) und Germanicus (14 – 16 n. Chr) zur Zeit Kaisers Augustus über die Grabungsergebnisse in Friedberg, Karben sowie Bad Nauheim. Hierzu zählen insbesondere die beiden Marschlager am Steinernen Kreuz in Friedberg und unweit der B 3 in Okarben. Während das Lager in Friedberg zwischen 1986 und 1991 erforscht werden konnte, wurde das Militärlager in Okarben erst in jüngster Zeit aufgedeckt. In beiden Fällen handelt es sich um augusteische Marschlager, in denen bis zu 6000 Soldaten, also eine komplette Legion in Kriegszeiten untergebracht werden konnte. Diese Militärstützpunkte wurden nur relativ kurz genutzt und boten den Legionären meist nur für eine Nacht Schutz, da diese sich im Tross auf dem Vormarsch bzw. im Rückzug befanden. In Bad Nauheim handelte es sich hingegen um ein Übungslager.
Unter dem Kaiser Domitian (81 – 96 n.Chr) war die Wetterau schließlich befriedet und konnte als Teil der Germania Superior in die Provinz Civitas Taunensium mit dem Hauptort Nida, dem heutigen Frankfurt – Heddernheim, eingegliedert und durch den Limes abgegrenzt werden. Ein aktueller Fund dieser relativ ruhigen Zeit im Limesbogen ist die Entdeckung eines heiligen Tempelbezirkes am Buchberg, südlich der Burg Münzenberg. Aufgrund der enormen Trockenheit konnte im Sommer 2022 durch eine Befliegung die schon bekannte Anlage im Ackerland näher lokalisiert und identifiziert werden. Tempelanlagen dieser Art und Größe müssen für die Wetterau als absolute Rarität angesehen werden. Im Friedberger Gewerbegebiet „ Pfingstweide “ auf dem heutigen Fresenius –Gelände wurde ebenfalls eine Kultstätte ausgegraben, die sich als ein kleiner Privattempel innerhalb eines römischen Gutshofes entpuppte. Im Tempelareal wurde schließlich eine Sandsteinstatue der Göttin der Weisheit gefunden, die heute als „Minerva von der Pfingstweide“ unter den Archäologen bekannt geworden ist.
Dr. Lindenthal beleuchtete außerdem die Wetterauer Vor- und Frühgeschichte und wies auf die aktuell überaus reichlichen Funde aus dem Neolithikum und dabei speziell auf die Bauten der Rössener Kultur hin, für die es in der Wetterau bis zu 70 Nachweise gibt. Besonders erwähnenswert ist aber auch die Tatsache, dass um 5000 v.Chr. eine Durchmischung der heimischen Bevölkerung von Jägern und Sammlern mit Zuwanderern aus dem Gebiet von Euphrat und Tigris, dem fruchtbaren Halbmond, erfolgte. Diese brachten letztendlich als Bandkeramiker Ackerbau und Viehzucht in die Wetterau und sorgten für eine Entwicklung erster dörflicher Strukturen wie z.B. in Bruchenbrücken.
Dass archäologische Fragestellungen aber auch immer wieder für das mittelalterliche Friedberg von Relevanz sein können, erläuterte Dr. Lindenthal im Zusammenhang mit einer Tiefbohrung in der Haagstraße, wo kellerartige Strukturen bis in ca. 20 m Tiefe nachgewiesen werden konnten. Dabei könnte es sich um einen Anschnitt eines weiteren der bisher bekannten acht Friedberger Brunnen aus dem Mittelalter handeln. Mit lang anhaltendem Applaus dankten die Zuhörer Dr. Lindenthal für einen überaus spannenden und informativen Vortrag. (Achim Meisinger)
Vgl. Wetterauer Zeitung vom 22.02.2024