Prof. Jendorff, Geschichte der Schiller- und Aufbauschule

Den letzten Vortrag in der Reihe zum 50 jährigen Schuljubiläum des Burggymnasiums hielt Fachbereichsleiter Prof. Dr. Jendorff im Friedberger Geschichtsverein. Das Thema „Heilands Zeiten und ihr Widerhall – die Friedberger Schiller- und die Aufbauschule 1930 bis 1960“ versprach keine Schulgeschichte im üblichen Sinn mit vielen Klassenfotos und Erinnerungen an die vergangene Schulzeit. Und so sahen sich diejenigen  Zuhörer, die dergleichen hören wollten, enttäuscht. Es erwartete sie eine methodisch exakte und wissenschaftstheoretisch fundierte Analyse der fraglichen Jahrzehnte Schulvergangenheit. Jendorffs Blick richtete sich auf die Führungspersönlichkeiten und auf Kontinuitäten von der Weimarer Republik hinein ins Nazireich und nach 1945 aus der Naziherrschaft heraus in die von der Alliierten Besatzungsmacht kontrollierten Nachkriegsjahre. Dabei stellten sich bei beiden Schulen Parallelen heraus, was nicht verwundert, hatte doch die Schillerschule in den Jahren des 3. Reiches keine eigenen Schulleiter, sondern wurde von den Direktoren der Aufbauschule bzw. der Augustinerschule kommissarisch mitverwaltet.

Prof. Jendorff im Archiv des Burggymnasiums

Im Rahmen seiner Arbeit an der Festschrift zum Jubiläum 1974-2024 stellte der Referent fest, dass die Erinnerungskultur bei früheren Schulgeschichten durch die Kunst des Ausblendens gekennzeichnet war. Das trifft auf Dr. Rübeling für die Aufbauschule genauso zu wie auf  Frau Dr. Kredel für die Schillerschule. Erinnerungsschriften beider Schulen verweigerten die Auseinandersetzung mit den 12 Jahren 1933-45. Da für den fraglichen Zeitraum durchaus Quellen zur Verfügung stehen, außer dem selektiven Fehlen einzelner Jahresberichte, muss es sich um einen bewussten Akt des Verschweigens handeln. Die Aufbauschule verfolgte einen interessanten pädagogischen Sonderweg. Sie ermöglichte Jugendlichen aus dem ländlichen Raum, denen mit 10 Jahren der Weg in weit entfernte Gymnasien nicht möglich war, im Internat ab dem 12. Lebensjahr in sieben Schuljahren das gleiche Abitur wie auf den grundständigen Gymnasien mit neun Schuljahren. Sie hätte sich ebenso wie die moderne Schillerschule als Opfer der gleichgeschalteten NS-Bildungspolitik darstellen lassen. Jendorff wertete diese Kunst des Verschweigens allerdings positiver als es eine Glorifizierung der 12 Jahre Schule unterm Hakenkreuz gewesen wäre.

Am Fallbeispiel Dr. Faber, Leiter der Aufbauschule 1924-34, wurde klar, was gemeint war. Jendorff bezeichnete ihn als loyalen Beamten, was sowohl für die Zeit im Volksstaat Hessen galt als auch für die Jahre danach. Vor 1933 offiziell Vertreter einer parlamentarischen Demokratie erlaubte ihm sein privates völkisches Engagement als Mitherausgeber der Zeitschrift „Volk und Scholle“ nach 1933 ohne Gesichtsverlust weiter zu amtieren. Wie viele seiner Kollegen auch, es fielen die Namen Adam Ruppel und Heinrich Keller, war er zu jeder Zeit Säule der völkischen Erziehung. Die schulischen Weihnachtsfeiern wurden ersetzt durch Feiern zu Hitlers Geburtstag am 20. April. Besonders während der Zeit des Direktors Heiland (daher die Überschrift des Vortrags) wurde die schulische Erziehung ausgerichtet auf Volksgemeinschaft und Rassenkampf. Das einzige Gruppenbild des Abends zeigte die HJ-Gefolgschaft des Internats der Aufbauschule.

Und nach 1945 unterrichteten die meisten weiter (Dr. Ruppel, Dr. Schäfer), eine Vergangenheitsbewältigung fand nicht statt. In einer Erinnerungsschrift an Dr, Faber im „Aufbauer“, der Ehemaligenzeitschrift der Aufbauschule, wird ein Opfermythos generiert. Die Verführung der Jugend wird gesehen, aber die eigene Täterrolle dabei nicht reflektiert.

Für die Schillerschule stehen die Namen Dr. Muth und Wilhelm Philipps für die verbreitete völkisch nationalistische Gesinnung. Und die Erinnerungsschrift von Frau Dr. Kredel deutet nichts davon an. Ihre wohlwollende Erinnerungskultur betont das Alte und Gute und distanziert sich nicht von der Vergangenheit.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass das für die beiden Friedberger Schulen gezeigte keinen Sonderfall darstelt, sondern an allen staatlichen Institutionen zu beobachten ist. Die Nachkriegszeit ist durch Verdrängung gekennzeichnet.

Hans Wolf

Wetterauer Zeitung, 26.03.2024

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