Tagesfahrt Amöneburger Becken
Auf einer glänzend vorbereiteten Exkursion führte Vorsitzender Lothar Kreuzer und Vorstandsmitglied Achim Meisinger den Fiedberger Geschichtsverein ins Amöneburger Becken. Meisinger erläuterte die geologischen Gegebenheiten des Vulkanfelsens inmitten der Lösslandschaft. An einem Aufschluss an der Südwand des Felsens sind die sechseckigen Basaltformationen in Meileranordnung gut zu erkennen. Der Amöneburger Vulkan steht in Zusammenhang mit dem Vogelsbergvulkanismus, der vor rund 15 Millionen Jahren in zahlreichen weit verstreuten Schloten zu Tage trat. Auf der Amöneburg gründete Bonifatius sein erstes Kloster in Hessen. Am Ohmübergang bei der Brücker Mühle zu ihren Füßen erinnert ein Obelisk an den Waffenstillstand 1762 nach der verheerenden Schlacht zwischen Preußen und Franzosen im Siebenjährigen Krieg.
Langenstein verdankt seinen Namen einem markanten fünf Meter aus dem Boden ragenden Menhir neben der Ev. Kirche. Diese wurde im 13. Jahrhundert bewusst direkt neben den grössten Menhir Hessens gesetzt, um ihn christlich zu überhöhen und seiner magischen Kraft zu berauben. Die Kirche, die der Ortspfarrer vorstellte, besitzt im Chor unter dem tragenden Gewölbe ganz ungewöhnlich ein frei schwebendes weiteres Netzrippengewölbe.
Dank der guten Beziehungen Meisingers zur Hessischen Landwirtschaftsbehörde war es möglich,, Schloss Rauischholzhausen zu besichtigen. Das Schloss wurde von dem im Saarländischen Neukirchen zu Reichtum gelangten Großindustriellen Ferdinand Stumm im historisierenden Stil des späten 19. Jahrhunderts erbaut. Die Entwürfe für den Neorenaissancebau stammen vom Architekten der Marburger Alten Universität Carl Schäfer. Dr. Süssmann erläuterte die Architekturmerkmale des Historismus sehr anschaulich von der Dachlandschaft bis zu den wappengeschmückten Portalen. Auch die Prunkräume des sonst unzugänglichen Schlosses konnten betreten und ihre wertvolle Holzvertäfelung und der Marmorschmuck bestaunt werden. Stumm umgab das Schloss mit einem wunderbaren Landschaftspark durch Heinrich Siesmayer. Er hatte das Gelände von den Nachfahren der Rau von Holzhausen erworben, die hier im Mittelalter herrschten und eine Wasserburg besaßen. Uns Friedbergern sind sie als Burgmannen der Kaiserlichen Burg bekannt mit ihrem markanten Burgmannenhaus hinter der Burgkirche.
Ein ganz anderes Kapitel wurde in Stadtallendorf aufgeschlagen. Die Gemeinde ist erst nach dem 2. Weltkrieg auf dem Gelände einer riesigen Munitionsfabrik im Wald bei dem Bauerndorf Allendorf entstanden. In einem Gewirr von Bunkern für die Produktion und Barackenlagern für die Zwangsarbeiter wurden 35 Kilometer Gleisanlagen verlegt, um die riesigen Mengen an Bomben und Granaten allen Kalibers abzutransportieren. In der Fabrik der Dynamit AG wurden 20% aller deutschen Munition von 20 000 Zwangsarbeitern gefertigt. Die Ausstellung im Informationszentrum zeigt in Bildern und Dokumenten die Produktion und die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Häftlinge. In einem Film wird festgehalten, wie nach 1945 zunächst Heimatvertriebene in den Baracken untergebracht wurden und dann in den 50er und 60er Jahren eine moderne Stadt mit Wohnungen und neuen Fabrikanlagen wuchs, die 1960 Stadtrechte erhielt. Die Bundeswehrgarnison einer demokratischen Parlamentsarmee steht in denkbar großem Gegensatz zum Terror der Gewaltherrschaft im 3. Reich.
Der Besuch des Frauenberges vor den Toren von Marburg rundete den Tag ab. Die Burg Frauenberg war die Hessische Antwort auf die Mainzer Präsenz auf der Amöneburg. Nachdem Sophie von Brabant, die Tochter der Heiligen Elisabeth, ihren Sohn Heinrich I. als ersten hessischen Landgrafen etabliert hatte, gerieten im Amöneburger Becken, das fest in der Hand des Erzbistums Mainz war, die Interessen beider Territorialgewalten aneinander, bis im Vertrag von Langsdorf 1263ein Interessensausgleich gelang. Hans Wolf dankte dem Führungsduo für die gelungene Durchführung der Exkursion.
Vgl. Wetterauer Zeitung 23.9.2023