Tagesfahrt hessisches Ried

Tagesfahrt hessisches Ried

Werbung für den ersten Verkaufserfolg der Opel-Werke Rüsselsheim: Nähmaschinen, die zur Erleichterung der Heimarbeit ab 1862 mit Ratenzahlung an Frauen verkauft wurden.

Als Abschluss seiner Fahrtenserie in die Provinz Starkenburg besuchte der Friedberger Geschichtsverein unter der Leitung von Hans Wolf auf einer Tagesfahrt das hessische Ried. In der vom einst mäandrierenden Rhein geprägten Landschaft betrieb man v.a. Spargel- und Tabakanbau. Organische Meerablagerungen liefern, seit 1951 systematisch gefördert, ein kleines Erdgas- und Erdölvorkommen.

Industrielle Metropole ist Rüsselsheim. Das Stadt- und Industriemuseum in der im 16. Jahrhundert zur Festung ausgebauten Burg der Grafen von Katzenelnbogen präsentiert die Industriegeschichte ab 1830 mit der Entwicklung der Technik, der Produktion, der Arbeits- und Lebensbedingungen, der menschlich-sozialen Seite rund um das Opel-Werk. Von der Handarbeit, der ersten Maschinenhalle über das Fließband bis zu Robotern und weltweiter Teileproduktion werden die Auswirkungen des Fortschritts auf Arbeitsplatzveränderung- und Abbau aufgezeigt, liest von den ersten Gastarbeitern mit auf zwei Jahre befristeten Verträgen. Opel schaute sich internationale Erfindungen ab, hatte Erfolg mit Nähmaschinen und Fahrrädern, kopierte ein Automodell von Citroën, brachte es als „Laubfrosch“ auf den Markt, „Dasselbe in Grün“. Die Produktion für die Rüstungsindustrie führte zu fast völliger Zerstörung im 2. Weltkrieg.

Tief in die Historie zurück führte der Weg zum Standort der ehemaligen Pfalz Trebur auf dem Gelände der heutigen Kirche. Zwei wichtige Reichstage der deutschen Geschichte fanden hier statt: Zum Ende der karolingischen Epoche wurde 887 Karl der Dicke zur Abdankung gedrängt und Arnulf von Kärnten zum Nachfolger erkoren, 1076 brachte man eine Lösung im Investiturstreit zwischen Heinrich IV. und dem Papst auf den Weg.

In Büchners Geburtshaus in Goddelau gab der Büchner-Kenner Peter Brenner einen abgerundeten Einblick in die Familie, das von Flucht geprägte Leben und Wirken des von der Französischen Revolution geprägten Literaten.

In Lorsch ist Macht und Pracht eines im 8. Jahrhundert gegründeten Reichsklosters greifbar, von der Grablege der ostfränkischen Könige über europaweite Besitzungen, kostbare Handschriften, den Resten der einst zweitgrößten Kirche nördlich der Alpen bis zur Königshalle, dem ältesten erhaltenen Profanbau auf deutschem Boden vom Ende des 9. Jahrhunderts. Aus Lorsch ist auch der fast 1100 Jahre alte Bienensegen überliefert, den Hans Wolf als eines der ältesten noch vorhandenen Beispiele althochdeutscher Sprache im Original rezitierte.

Das Wetter verhinderte einen Gang zur Schwedensäule, errichtet für den im 30jährigen Krieg nach spektakulärer Rheinüberquerung auf Scheunentoren errungenen Sieg gegen spanische Habsburger. So rundeten Informationen zum Zullestein, einem römischen Hafen, zu Boxheim, wo die hessische NDSAP Umsturzpläne schmiedete, und zum Schicksal der in der Region lebenden jüdischen Schriftstellerin Elisabeth Langgässer den Tag ab.

 

Vgl. Wetterauer Zeitung 14. September 2022

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