Wetterauer Geschichtsblätter 65
Eine farbenprächtige Geschichte
Der Band 65 der Wetterauer Geschichtsblätter ist erschienen, diesmal mit Farbfotos, die einen Blick auf die vorhandenen und die verlorenen Schätze der Stadtkirche werfen.
Eigentlich sollte Band 65 der Geschichtsblätter bereits 2016 erscheinen. Die Verzögerung hat ihr Gutes, konnten doch nun Beiträge aufgenommen werden, die sich mit dem Stadtjubiläum »800 Jahre Friedberg« in 2016 und dem 500. Jahrestag der Reformation 2017 beschäftigen, wie der Geschichtsvereins-Vorsitzende Lothar Kreuzer bei der Vorstellung des Bandes im Klosterbau sagte.
Den mit 75 Seiten umfangreichsten Beitrag liefert Wilfried Jäckel mit einer Gesamtschau auf alle in der Friedberger Stadtkirche noch vorhandenen Grabsteine. Kreuzer hob die genealogischen und heraldischen Kenntnisse Jäckels hervor. Erfasst wird der Zeitraum von 1336 bis 1761. Indem Jäckel neue Hypothesen zur Zuordnung und Datierung von Grabplatten gelingen, entwirft er über 400 Jahre Familiengeschichte in Friedberg. Die Fotos der Grabplatten stammen von WZ-Fotografin Nici Merz.
Für Sängerfest ausgeräumt
Hans Wolf, Ehrenvorsitzender des Geschichtsvereins, ist mit drei Beiträgen vertreten. In »Alles muss raus« verrät er, warum es nach der Reformation in Friedberg keinen Bildersturm gab und selbst Mariendarstellungen in der nun protestantischen Stadtkirche hängen blieben. Ausgeräumt wurde die Stadtkirche erst, als Mitte des 19. Jahrhunderts ein Saal für ein Sängerfest benötigt wurde; nun wurden Altäre und Bilder verkauft und die Stühle beseitigt. Das Bewusstsein dafür, dass es sich um wertvolle Kunstgegenstände handelt, setzte erst später ein.
Ein zweiter Beitrag von Wolf beschäftigt sich mit der Lutherrezeption. Der Reformator war für die Friedberger (wie für alle anderen Deutschen) mal Lichtgestalt (18. Jahrhundert), mal Nationalheld im Kampf gegen Frankreich (19. Jahrhundert). Wolf: »Jede Epoche hatte ihren eigenen Luther.« Von Wolf stammt außerdem ein Porträt des ehemaligen Friedberger Bürgermeisters, Buchhändlers und Revolutionärs Carl Scriba. Was geschah mit dem Kirchenschatz? Das beantwortete 2006 eine Ausstellung im Wetterau-Museum, deren Ergebnisse Museumsleiter Johannes Kögler zusammengetragen und in einem ebenfalls reich bebilderten Aufsatz vorstellt. 18 Altäre gab es einst in der Stadtkirche, nur drei sind erhalten geblieben, keiner davon steht in Friedberg.
Die Jugend Adolf Reichweins
Der Reformpädagoge Adolf Reichwein war beim Geschichtsverein schon im Februar ein Thema, als Dr. Dieter Wunder (Bad Nauheim) über die letzten Jahre des Widerstandskämpfers referierte. Eine biographische Ergänzung dazu (und zur Herausgabe der Kriegstagebücher von Reichwein Senior und Junior in den Rosbacher Geschichtsblättern) ist der Aufsatz von Armin Häfner. Der langjährige Leiter der Ernst-Ludwig-Schule Bad Nauheim hat die Jugendjahre Reichweins recherchiert.
Trotz dünner Quellenlage berichtet Häfner anschaulich, wie Reichweins soziales Engagement und die von ihm gezeigte Verantwortung für seine Mitmenschen bereits im Elternhaus vorgelebt wurde und durch Kontakte zu dem Bad Nauheimer Lehrer Dr. Reinhard Strecker inspiriert wurden. Auch die Wandervogel-Bewegung wird behandelt; die Ortsgruppe Friedberg dieser rebellischen Jugendbewegung hatte vor dem Ersten Weltkrieg ihr »Nest« im Torturm der Burg Friedberg. Den Band beschließen Nachrufe auf zwei Heimatgeschichtsforscher, denen ein ehrenvolles Andenken gilt: Hermann Mangels und Burkhard Steinhauer.
Band 64 der Wetterauer Geschichtsblätter umfasst 228 Seiten, ist mit zahlreichen Farbfotos illustriert und kostet im Buchhandel 24,90 Euro. Mitglieder des Geschichtsvereins können den Band in der Geschäftsstelle im Alten Rathaus oder im Stadtarchiv abholen.
Vgl. Wetterauer Zeitung 14. April 2018
Redakteur Jürgen Wagner