Kögler, Friedberger Burggarten

Von der Wehranlage zum Balkon für die Wetterau
Vortrag von Johannes Kögler zum Friedberger Burggarten

Mit dem Burggarten widmete sich der Leiter des Wetterau-Museums, Johannes Kögler, am vergangenen Donnerstag einem der schönsten und prominentesten Teile der Friedberger Burganlage. In einem detaillierten und kenntnisreichen Vortrag vor dem Friedberger Geschichtsverein nahm er sein Publikum mit auf einen ausgiebigen Spaziergang durch die wechselvolle Geschichte einer der beliebtesten Parkanlagen der Kreisstadt.

Die Anfänge des „schönsten Balkons der Wetterau“ waren freilich alles andere als friedlich und beschaulich: Im 15. Jahrhundert wurde er als östlicher und nördlicher Zwinger der Burg errichtet und mit Rondellen in der Außenmauer zur Aufnahme von Geschützen ausgestattet. Mit dem Fortschreiten der Wehrtechnik wurden allerdings aufwendige Anlagen dieser Art bald weitgehend wirkungslos. Sie verwahrlosten, verfielen, wurden oftmals geschleift oder bestenfalls erhalten und nach Möglichkeit einer neuen Verwendung zugeführt.

Auch in der Burg Friedberg vollzog sich dieser Wandel von der geschlossenen Wehranlage hin zu einer offeneren Bauweise – wenn auch in abgeschwächter Form. So ließ z.B. Burggraf Ernst Ludwig von Breidenbach zu Breidenstein die Gartenfassade des Burggrafiats Mitte des 18. Jahrhunderts mit größeren Fenstern versehen. Etwa zeitgleich vermerkt das Burgregiments-Conventprotokoll Maßnahmen, die auf die Umgestaltung des östlichen Zwingers zum Lustgarten hindeuten. Wichtige Elemente des heutigen Burggartens waren offenbar bereits damals vorhanden oder wurden nun projektiert. So wird erstmals eine, wenn auch baufällige, Brücke über den Wallgraben hinter dem Burggrafiat erwähnt. Stützmauern sollten nun „bogenweiß“ ausgeführt werden, „um auch die Lust am promenieren zu erhöhen“ und insgesamt sollte der Graben hinter dem Burggrafiat terrassiert werden. Von anderen Vorhaben wissen wir nicht, ob sie jemals umgesetzt wurden, etwa das Treibhaus oder die beiden Bassins, „wo man das Wasser mit geringen Kosten zum Springen bringen könne“.

Johannes Kögler. Foto Lutz Schneider

Gerade die Frage, ob jemals zumindest ein Bassin im Burggarten angelegt wurde, und falls ja, wie lange es bestand, beschäftigt bis heute die Gemüter. Wie Museumsleiter Kögler eindringlich ausführt, kann diese Frage bislang nicht abschließend geklärt werden, da trotz der Vielzahl der gezeigten Planunterlagen meist nicht ersichtlich ist, ob es sich um Bestands- oder Projektpläne handelt. Klar wird jedoch, dass spätestens in den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts bereits an eine Umgestaltung der barocken Gartenanlage zum Landschaftsgarten im englischen Stil gedacht wurde. Allein vier reich kolorierte Planzeichnungen stammen aus der Feder des friedberger Burg-Gärtners und Burg-Geometers Heinrich Carl Bindernagel (1775-1854).

Zentrales Element der Pläne, wie des Gartens selbst, ist stets die vom Burggrafiat ausgehende Brücke über den Graben, die direkt auf den von zwei barocken Sandsteinvasen und einem Eisengitter betonten Aussichtspunkt in die Wetterau mündet. Damit ist die Blickachse markiert, die den Burggarten über die engen Grenzen der Burg in die Landschaft der Wetterau erweitert. Als besonderes „Highlight“ belebt seit 1847 der Rosentalviadukt diesen Blick. Als weiteres führendes Element zeigen schon die frühesten Pläne die in Nord-Süd-Richtung verlaufende Lindenallee auf der Höhe des Walls. Hinzu kommen nun sowohl eine einseitige Allee entlang der inneren Burgmauer als auch ein Rasenband auf der Sohle des Grabens und dicht gestaffelte Wegeführungen entlang der Steilhänge.

Mit dem Übergang der Burg Friedberg an das Großherzogtum Hessen und insbesondere im Zuge ihres Ausbaus zur Sommerresidenz wurde ein Großteil dieser Planungen im Laufe des 19. Jahrhunderts umgesetzt. Die bekanntesten Besucher dieser weiterhin sehr exklusiven Parkanlage wurden sicherlich die Mitglieder der russischen Zarenfamilie, die 1910 aus Anlass eines Kuraufenthaltes der Zarin in der Burg Friedberg Logis nahmen.

Blick auf Brücke und Burggrafiat von Reiner Strack.

Nach dem Ende des ersten Weltkrieges und der Aufhebung der Monarchie pachtete die Stadt Friedberg 1921 den Burggarten und nutzt ihn seither als Bürgerpark, der Besucher aus nah und fern wegen seiner verwunschenen Einblicke und mehr noch wegen seiner weiten Ausblicke in die umgebende Landschaft anlockt. Eine letzte große bauliche Veränderung brachte die Errichtung der Freilichtbühne im südlichen Teil des Burggartens in den frühen 1940er Jahren. Mit Wehmut erinnern sich noch heute viele Friedberger an die zahlreichen Aufführungen und Veranstaltungen, sei es im Rahmen des legendären Friedberger Burgfestes, des Soundgarden Festivals oder der Sommersprossen. Sie alle gewannen ihren speziellen Reiz durch das besondere, malerische Flair der Naturbühne.

Abseits dieser Kulturveranstaltungen fiel der Burggarten jedoch über Jahrzehnte in einen Dornröschenschlaf. Hecken wucherten, Sichtachsen verwuchsen, Bäume erkrankten. Angesichts der Besitzverhältnisse in der Burg – Eigentümerin der gesamten Burganlage ist bis heute das Land Hessen – war für grundlegende Maßnahmen und Sanierungen das Land in der Pflicht. Quasi als Anschub wurde die Stadt initiativ und beauftragte 1999 – 2001 den Landschaftsarchitekten Peter Jordan mit der Erstellung eines Parkpflegewerkes. Bereits 1985 hatte Hans Joachim Augustin eine Konzeption zur Sicherung des Burggartens als Diplomarbeit bei der FH Wiesbaden erarbeitet. Auf diesen beiden Arbeiten fußte endlich die Sanierung des Friedberg Burggartens, die sich in ihrer Gestaltung eng an den Plänen des 19. Jahrhunderts und an den bestehenden Strukturen orientierte. Von 2007 bis 2010 wurde sie durch die Landschaftsarchitekten Sommerlad-Haase-Kuhli aus Gießen erarbeitet und umgesetzt.

Im April 2010 wurde der Burggarten endlich wieder für die Öffentlichkeit freigegeben. Seither steht er bei Friedbergern wie Gästen wieder hoch im Kurs. Er ist Teil des Projektes GartenRheinMain, ist  Zentrum zahlreicher Veranstaltungen wie „Friedberg Leuchtet“ oder „Friedberg zum Anbeißen“ und präsentiert sich als Ort der Geschichte nicht nur am Tag des offenen Denkmals sondern auch mit historischen Fotoausstellungen, die als Kooperation von Stadtarchiv und Wetterau-Museum viele Besucher anlocken.

Das ungebrochene Interesse am Thema offenbarte die an den Vortrag anschließende Aussprache, in der noch verschiedenste Fragen diskutiert wurden, etwa zu einer möglichen botanischen Aufwertung des Gartens oder zur Zukunft des Rosenthal-Viadukts, der immerhin eng mit dem Burggarten verknüpft ist. Auch die Sanierung und Neubepflanzung der südlichen Wehranlage im Sinne des 1937 durch Ludwig Roth dort angelegten Rosenhaags wurde angeregt. Zu einem kleinen kollektiven Aufstöhnen führte jedoch das von Johannes Kögler präsentierte Foto vom Erntefest der Aktion „Friedberg zum Anbeißen“ und sofort wurde er sichtbar, spürbar und von allen Seiten hörbar: der Wunsch vieler Friedberger endlich nach einem Café im Burggarten oder doch wenigsten in der Burg…

Katja Augustin

 

Siehe auch Wetterauer Zeitung 26.1.2018

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