Dr. Schnur, Jüdische Gemeinde/ Mitgliederehrung
Die Friedberger Judengemeinde im Spiegel der Burggerichtsbücher des 14. Jahrhunderts
Zur ersten Vortragsveranstaltung im Winterhalbjahr 2018/2019 konnte der Friedberger Geschichtsverein Dr. David Schnur begrüßen. Der Referent ist Leiter des Stadtarchivs Schwäbisch-Gemünd und hat sich in seiner Dissertation mit der Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Juden in Frankfurt a. M. und der Wetterau im 14. Jahrhundert befasst. Im Bibliotheksbau trug er speziell zur Friedberger Judengemeinde vor, wozu er die im Staatsarchiv Darmstadt aufbewahrten Gerichtsbücher der Reichsburg Friedberg benutzte. Die Aufzeichnungen setzen im Jahr 1369 ein und reichen mit einer mehrjährigen Unterbrechung bis 1429. Davon betreffen die Juden im Zeitraum bis 1390 ca. 1.000 Einträge. Wie der Referent berichtete, weist die Friedberger Mikwe, deren Baubeginn auf etwa 1260 datiert wird, auf die Existenz einer florierenden und vermögenden jüdischen Gemeinde noch vor ihrer ersten urkundlichen Erwähnung im Jahr 1275 hin.
Die Friedberger Judengemeinde gehörte bis ins 15. Jahrhundert dem Friedhofsbezirk der Frankfurter Juden an, so dass sie ihre Bestattung auf dem dortigen Friedhof vornehmen durfte. Die Aufzeichnungen des Burggerichts beginnen, nachdem aufgrund des Pestpogroms von 1349 die jüdische Ansiedlung in Friedberg unterbrochen und erst in den 1360er Jahren wieder aufgenommen worden war. In den Protokollen tauchen Juden entweder als Kläger oder Beklagte auf oder machten christliche Kläger neben der Hauptforderung den sogenannten Judenschaden geltend, d.h. die Zinsen, die der Kläger für ein bei den Juden genommenes Darlehen zahlen musste, weil der Beklagte seiner Zahlungspflicht nicht nachgekommen war. Die zahlreichen Einträge erlauben es, die wirtschaftliche, sozialen und familiären Verhältnisse innerhalb der jüdischen Gemeinde zu analysieren. So fand der Referent heraus, dass christliche Frauen entgegen einem kirchlichen Verbot als Mägde im Dienste jüdischer Familien standen. Soweit Juden vor dem Gericht Kreditforderungen einklagten, handelte es sich meist um ein- bis knapp zweistellige Guldenbeträge. Die geltend gemachten Zinsen lagen nicht nur in Friedberg üblicherweise über 40 % jährlich, so dass die Zinsen schon nach kurzer Zeit die Hauptforderung überstiegen. Die dadurch entstehende enorme Verschuldung von Christen führte dazu, dass König Wenzel zweimal sogenannte Judenschuldentilgungen anordnete, von denen die zweite 1391 auch für Friedberg mit der Wirkung erlassen wurde, dass die Einwohner von Burg und Stadt von ihren Judenschulden befreit wurden. Sämtliche Schuldtitel wurden annulliert. Noch im selben Jahr begannen vor dem Burggericht Klagen von Christen, die von Juden Geld zurückverlangten. Auffällig ist, dass die Klagen am häufigsten gegen Jüdinnen gerichtet waren. In der anschließenden sehr regen Diskussion stellte Dr. Schnur heraus, dass sich keine diskriminierende Behandlung der Juden vor dem Burggericht oder vor anderen Gerichten feststellen ließ, sondern diese nicht schlechter behandelt wurden als christliche Parteien. Er konnte sogar einen Eintrag feststellen, nach dem einem jüdischen Kläger gestattet wurde, einen zu leistenden Eid zu verschieben, wenn es sich bei dem bestimmten Gerichtstermin um einen jüdischen Feiertag handelte. Vor dem Vortrag hatte der Vorsitzende des Geschichtsvereins, Lothar Kreuzer, langjährige Mitglieder für 25- bzw. 40jährige Vereinszugehörigkeit geehrt.
Reinhard Schartl
Vgl. Wetterauer Zeitung 2.11.2018