Wolf, 500 Jahre Lutherrezeption Friedberg

„Jedes Zeitalter schnitzt sich seinen Luther selbst zurecht“. Hans Wolf referiert beim Friedberger Geschichtsverein über 500 Jahre Lutherrezeption.

Vor 500 Jahren, am 31. Oktober 1517, schlug Luther in Wittenberg seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel an. Dies war der Auftakt zur Reformation in Deutschland.

Anlässlich dieses Jubiläums hielt Hans Wolf vor dem Friedberger Geschichtsverein den Vortrag: “500 Jahre Lutherrezeption – Wie erinnerte sich  Friedberg?“

Ausgehend von der Akzeptanz seiner Zeitgenossen  über die Rezeption in 5 Jahrhunderten bis 2017 wirft Wolf neben dem allgemeinen einen besonderen Blick  auf die Geschehnisse in Friedberg (Einführung der Reformation in Friedberg 1556). Er geht dabei  historistisch vor und vertritt die Auffassung, dass jedes Zeitalter „ sich seinen Luther selbst zurechtschnitzt.“

Hans Wolf

In seinem detaillierten und  sorgfältig recherchierten Vortrag schildert Wolf die Begehung aller Jubiläen des Reformationstages, Luthers Geburtsjahres (1483), seines Todesjahres (1546) sowie zusätzlich in Friedberg des Jahres seines Aufenthaltes 1521.

Für 1617 und 1717 zitiert er aus der Molther`schen    beziehungsweise aus der Schazmann`schen Chronik mit jeweils einer kurzen Nachricht über die Feierlichkeiten.

Das 19. und  20. Jahrhundert  entdecken  den Reformator für sich und instrumentalisieren ihn in vielen Gedenkveranstaltungen für  ihre Zwecke.

So ist das 19. Jahrhundert die Zeit der Pflanzungen von Lutherlinden und –eichen sowie der Veranstaltung von Festzügen, bei denen das Lutherschwert vorangetragen wird.

Besonders zu erwähnen ist das Jahr  1817, 300 Jahre Reformation. Am Reformationstag wird bewusst das Lehrerseminar in der Burg feierlich eröffnet, um die Bedeutung Luthers für die Bildung zu unterstreichen. Die Stadtkirche erhielt ein neues silbernes Taufbecken.

1883, Luthers 400. Geburtstag. Dieses Jubiläum fällt genau in den Kirchenkampf. Der Historiker Robert Schäfer hatte angeregt, eine Tafel   an das Haus „Zum Grünberg“, Kaiserstraße 32, anzubringen,  wo Luther am 28.04.1521 auf der Rückreise von Worms übernachtet hatte. Diese wurde feierlich eingeweiht. Das Fest brachte einen Anflug von Verständnis zwischen den beiden Konfessionen. Der OA stellte fest: „Mit aufrichtiger Freude bemerkten wir, dass auch der Großteil der andersgläubigen Mitbürger ihre Fahnen zum Schmuck der Stadt entfaltet hatten.“

1917, 400 Jahre Reformation. Friedberg verdankt dem Jahrestag das Lutherfenster in der Stadtkirche, gespendet von dem Verein hessischer evangelischer Geistlichen. Die Friedberger Kirchengemeinde stellte in diesem Jahr den Antrag an die Stadtverordneten, „dass die Lutherstadt Friedberg auch ihre Lutherstraße erhalte“. Dem Antrag wurde stattgegeben und 1928 wurde ein Straßenzug „Lutheranlage“ benannt.

1933, Luthers 450. Geburtstag. Im 3. Reich wurde die nationale Aneignung Luthers noch gesteigert. Die Gedenkfeier stand unter dem von der Partei ausgegebenen Motto: „Mit Luther und Hitler, für Glaube und Rasse.“ Es gab aber schon im 3. Reich erheblichen kirchlichen Widerstand dagegen.

1946, zum 400. Todestag wurde Luther aber allseits  „entnazifiziert“.

Das 450. Reformationsjubiläum 1967 wurde in Friedberg mit einer Lutherwoche begangen.. Themen waren: „Das Lied im reformatorischen Werk Martin Luthers“, „Luther als Bibelübersetzer“, „Atomkraft und Theologie“, „Das Friedberger Lutherwort: Gottes Wort soll obschweben.“.

Erwähnt sei noch der 450. Todestag Luthers. Er wurde 1996 bewusst gesamtdeutsch begangen. Friedberg wurde von dem Lutherzug berührt, der in historischen Gewändern mit Pferd und Wagen von Wittenberg nach Worms unterwegs war. Die Wetterauer Zeitung berichtete ausführlich über das Spektakel. Der Zug wurde begrüßt von Pfarrer Biernoth  und Bürgermeister Bayer auf der Treppe vor dem Brautportal. Der Förderverein Stadtkirche verkaufte  „Ablassbriefe“ für die bevorstehende Kirchenrenovierung, die als Spendenquittungen für das Finanzamt gedacht waren.

Für das Jahr 2017 bereitete man sich schon 10 Jahre vorher vor in der sogenannten Lutherdekade. In diesem Jahr fanden in Deutschland über 10.000 Veranstaltungen zum Luthergedenken statt. Der Deutsche Bundestag erklärte das Reformationsjubiläum am 31. Oktober zum offiziellen Feiertag.

Auch in Friedberg gab es zahlreiche Veranstaltungen. Hier sollen nur die wichtigsten genannt werden:  Kantor Seeger  führte ein Kindermusical auf, das die Ehefrau Luthers, Herr Käthe, in den Mittelpunkt stellte. Das Wetterau-Museum brachte eine Sonderausstellung um den Übernachtungstermin im April und eine Theateraufführung auf dem Elvis-Presley-Platz. Die beiden Kirchengemeinden veranstalteten ein ökumenisches Gemeindefest unter dem Motto „Gemeinsam? Selbstverständlich!“

Nicht zuletzt ist  Friedberg auch eine  wichtige Station auf dem  neuen Lutherweg .

Die Reformation hat die Entwicklung unserer Gesellschaft in vielen Bereichen maßgeblich beeinflusst. So hat Luther durch die Übersetzung der Bibel ins Deutsche unsere Sprache entscheidend geformt und geprägt. Luther  hinterlässt eine weltoffene, dem Menschen zugewandte Kirche, für die die Ökumene immer wichtiger wird.

Angesichts der vielen interessanten Informationen zur Lutherrezeption in Friedberg  wird der erweiterte Text des Vortrages von Hans Wolf im nächsten Band der Wetterauer Geschichtsblätter veröffentlicht. Walburga Glinka-Rack

 

Vgl. Wetterauer Zeitung 15.11.2017

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