Dr. Lindenthal, Vorgeschichte Friedbergs

Besiedlung des Friedberger Stadtberges seit mehr als 7000 Jahren belegt 

  Auftaktveranstaltung beim Friedberger Geschichtsverein zur 800 Jahr-Feier

FB Bismarckstrase Glockenbecher  u  westdeutscher Becher r KynastAm vergangenen Donnerstag sprach der Kreisarchäologe, Dr. Jörg Lindenthal, beim Friedberger Geschichtsverein vor einem  „vollen Haus“  im Bibliothekszentrum über die Vor- und Frühgeschichte Friedbergs. Die Veranstaltung war der Auftakt zu einer Reihe des Geschichtsvereins im Rahmen der 800-Jahr-Feier der Ersterwähnung der Burg Friedberg.

Einführend betonte der Kreisarchäologe die besondere Bedeutung der frühen Heimatforscher wie Philipp Dieffenbach und Dr. Theodor Goldmann  für die systematische Erforschung der Friedberger Vorgeschichte sowie der Gründung des Friedberger Geschichtsvereins und dem Aufbau des Wetteraumuseums. Gerade Letzteres stellt nach wie vor mit seinen überaus reichen Sammlungen einen hervorragenden Schatz für Friedberg, die gesamte Region und weit über Hessen hinaus dar.

Anhand einer geologischen Karte Friedbergs und eines LIDAR-Scans mit den archäologischen Fundstellen der Wetterau führte Dr. Lindenthal dann sehr nachvollziehbar in die Materie ein, wobei schnell klar wurde, welch günstige siedlungsgeografische Vorteile Friedberg mit seinem Burgberg und die fruchtbare Wetterau seit jeher geboten haben. Als älteste Kulturstufe konnten auf dem Friedberger Stadtberg die Bandkeramiker nachgewiesen werden, die als erste Ackerbauern und Viehzüchter bereits 5300 v. Chr.  im Bereich Kaiserstraße 118/20 nördlich des Ockstädter Kreuzes siedelten. Interessant, dass diese Menschen etwa 10 000 Jahre vor Christus im Gebiet des „fruchtbaren Halbmondes“ im Nahen Osten lebten und dann schrittweise über den Balkan sich in unserer Landschaft niederließen. Anhand von Tierknochenfunden konnte zudem festgestellt werden, dass deren Schweine nicht von unseren Wildschweinen, sondern von Schweinen aus Anatolien abstammen. Die Bandkeramiker starben am Ende der Jungsteinzeit aus und lassen sich in der DNA der heutigen Bevölkerung  Mitteleuropas auch nicht mehr nachweisen. Interessante Funde dieser Kultur bilden Tonidole u.a. aus Nieder-Mörlen. Sie stellen idealisierte Haustiere wie Schweine und Rinder dar. Sogar erste menschliche Gesichter als Tonplastiken konnten hier gefunden werden.

Steinern Kreuz 2015 Arch Denk Wet JLDas Gewerbegebiet „Pfingstweide“ entpuppt sich immer wieder als hochinteressantes Grabungsgebiet und so konnten seit dem 19. Jahrhundert Funde aus der mittleren Steinzeit, der sogenannten Rössener Kultur, (ca. 5400 v. Chr.)   aufgedeckt werden. Zuletzt wurde zwischen 2008 und 2010 im benachbarten  „Gewerbegebiet West“ eine komplette Siedlung dieser Epoche ausgegraben, die sich linear am Südhang zum Straßbach hin erstreckte. Im Zuge der Baumaßnahme zur Ortsumgehung im Süden von Friedberg fand man streifenförmige Erdverfärbungen, die auf eine bisher in unserer Gegend unbekannte Grabanlage hindeuteten. Spannend, dass bisher diese Form von Grabanlagen nur noch im Pariser Becken nachgewiesen werden konnte. Sie müssen als langförmige Grabanlagen gedeutet werden, die für herausgehobene Persönlichkeiten in der damaligen Zeit gedient haben könnten. Dr. Lindenthal vermutet hier also das Grab eines ersten prominenten Friedbergers.

Auch die Siedlungsspuren der „Glockenbecherkultur“ (ca. 3000 – 1600 v. Chr.) lassen sich in der Gemarkung nachweisen und konnten zuletzt in der Nähe des Steinern Kreuzes erforscht werden. Die Menschen der Glockenbecherkultur treffen in der Wetterau mit den Menschen der „Schnurkeramiker“ zusammen. Aus diesen beiden Kulturgruppen entwickeltsich die Bevölkerung der frühen Bronzezeit. Auffallend ist, dass man bisher noch nie Gebäudereste dieser Stufe ausgegraben hat.

Ganz aktuell wurde in Dorheim ein spätbronzezeitliches Gräberfeld mit 11 Urnengräbern entdeckt.  Die Bestattung eines Menschen in einer eisenzeitlichen Grube in der Nähe des heutigen Edeka-Marktes in Dorheim gibt nach wie vor Anlass zu Spekulationen. In einer Grube aus der Hallstattzeit (ca. 750 – 500 v. Chr.), die eigentlich der Getreidelagerung diente, fand man ein in die Ecke gedrücktes Skelett. Die Art und Weise, wie diese Bestattung stattgefunden hat, könnte zu der Schlussfolgerung führen, dass hier eine Krankheit oder auch ein gewaltsamer Tod eingetreten war.  Auffallend sind die Erdverfärbungen im Ausgangsmaterial des eiszeitlichen Löss, die davon zeugen, dass die Bodenbildung in Form einer Mineralisierung sich in den vergangenen 2500 Jahren fortgesetzt hat.

Zum Abschluss des sehr informativen Vortrages beleuchtete Dr. Lindenthal die letzte Phase der Friedberger Vorgeschichte an der Zeitenwende zu La-Tẻne- bzw. Kelten- und Römerzeit, die bereits in der Geschichtsschreibung dokumentiert werden kann.

Mit lang anhaltendem Applaus bedankten sich die Zuhörer bei Dr. Lindenthal für einen herausragenden Vortrag, der deutlich machte, dass mit der Bautätigkeit und dem keineswegs positiv  zu bewertenden Flächenverbrauch in der Wetterau wenigstens eine Fülle von archäologischen Funden  einhergeht.

(Achim Meisinger)

Vgl. Wetterauer Zeitung 30.1.2016

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