Presse 2012 Ruhrgebiet

Dass Westfalen und die Region an Rhein und Ruhr nicht nur Revier der Kohle- und Stahlindustrie war, sondern eine alte und mächtige Kulturregion entlang der unter königlichem Schutz stehenden Handelsstraße „Hellweg“ (Salzstraße), konnten die Teilnehmer der dreitägigen Fahrt des Friedberger Geschichtsvereins unter Leitung von Hans Wolf entdecken. Gut informiert über die wesentlichen Etappen der regionalen Geschichte v.a. in den späteren Herzogtümern Berg und Mark mit ihrer wechselnden machtpolitischen Zugehörigkeit ging es nach Soest als erster Station.

Soest hatte sich aus dem Stift St. Patroklus als Hansestadt zur einst mächtigsten Stadt Westfalens entwickelt. Sein Stadtrecht nahmen sich viele andere Städte zum Vorbild. Trotz starker Zerstörung im 30jährigen Krieg beeindrucken im noch stark mittelalterlich geprägten Stadtbild die romanische Stiftsbasilika aus grünem Sandstein (die Färbung verursacht ein hohe Anteil des Minerals Glaukonit) mit ihrer Gerichtslaube im Westwerk, die ebenfalls romanische Stadtkirche St. Petri, St. Maria zur Höhe als frühestem Hallenbau in Westfalen und die bedeutendste gotische Kirche Westfalens, St. Maria zur Wiese, mit westfälischem Abendmahl und wertvollen gotischen Altären.

Die Burg der Grafen von Cappenberg widmeten die Brüder Gottfried und Otto zum ersten Prämonstratenserkloster östlich des Rheins um. Gottfried gründete auch Kloster Ilbenstadt. Seine Gebeine ruhen verteilt in Westfalen und in der Wetterau. Freiherr vom Stein erwarb als preußischer Bergamtsdirektor Anfang des 19. Jh. die Besitzungen. Die Führung in der dreischiffigen romanischen Basilika stellte das sogar mit Figuren unter den Sitzen verzierte Chorgestühl, die um 1300 gefertigte Grabplatte, die seit der Antike erstmals  als Vollplastik gefertigte wurde, und das Cappenberger Kopfreliquiar, den sogenannten Barbarossakopf, der möglicherweise vom Taufpaten Kaiser Friedrich stammt, heraus.

In Dortmund, der ehemals einzigen Freien Reichsstadt Westfalens, begann die industrielle Entwicklung mit der Eisengießerei Hartkort und dem Bau der Eisenbahn. Leider konnte von  den wieder aufgebauten Kirchen nur St. Reinoldi besichtigt werden. Auf dem flandrischen Altar von 1420 trocknet Josef am Kohlefeuer die Windeln des Christuskindes.

Essen lernte man am zweiten Tag kennen. Seine Keimzelle ist das 850 von Hildesheim aus gegründete reichsunmittelbaren Stift; später wurde es Hauskloster des sächsischen Kaiserhauses der Ottonen, im 11. Jh. leiteten es die großen Äbtissinnen Mathilde, Sophie und Theophanu. Die Ottonen demonstrierten mit dem Westwerk der Münsterkirche in höchster Baukunst die Präsenz des Reiches, das Innere prägen die älteste vergoldete Marienfigur (10. Jh.), ein siebenarmiger Leuchter aus Bronze und eine von Otto I. aus Rom herbeigeschaffte Säule.

Die 1834 von Haniel gegründete Zeche Zollverein war das größte und leistungsstärkste Steinkohlebergwerk der Welt, heute als Welterbestätte Symbol des Strukturwandels. Verschiedene Führungen zeigten auf dem Gelände, auf dem in Spitzenzeiten auf 14 km2  8500 Bergleute täglich aus bis zu 1000m Tiefe 12 Tausend Tonnen Kohle förderten, rund um den zentralen Förderschacht die Vielfalt der präzise ineinandergreifenden Arbeitsschritte bis hin zur Kohlenwaschanlage. 1958-61 errichtet war bis 1993 die größte Kokerei Europas in Betrieb.

Produkte des rasanten Aufstiegs der Fa. Krupp sind die von der Witwe Alfred Krupps  erbaute Siedlung Margarethenhöhe und der Familiensitz Villa Hügel. Von Alfred Krupp selbst geplant zog ursprünglich die dreiköpfige Familie in das Anwesen, das im Endausbau  in 269 Räumen auf bis zu neun Etagen als Firmenzentrale und Wohnsitz Platz bot. Bei schwierigen Familienverhältnissen repräsentierte und protzte man gegenüber den  Mächtigen und wichtigen Kunden.

Zum Abschluss des Tages ging es zur etwa um 800 gegründeten Benediktinerabtei Werden, zu dem letzten großen romanischen Bau des Rheinlands um 1250, und in den Stadtteil Kettwig, ursprünglich ein Weberdorf, heute noch von Fachwerkhäusern geprägt.

Am Gasometer in Oberhausen, dem Relikt und Sinnbild der schnell gewachsenen Industriestandorte, vorbei ging es an den Rhein. In Düsseldorf,  Residenz der Grafen von Berg, 1521 Hauptstadt des vereinigten westfälischen Großreiches, seit 1614 unter den Wittelsbacher Pfalzgrafen , zeitweise französisch, dann preußisch und seit 1946 Hauptstadt des neu geschaffenen Bundeslandes Nordrhein- Westfalen, waren Kaiserswerth, sein Königshof, die bedeutende Pfalz und spätere Zollburg, das Jagdschloss Benrath, bedeutendstes Rokokoschloss Deutschlands, das den Friedberger Schriftsteller Henry Benrath zu seinem Pseudonym anregte, und natürlich die Innenstadt Stationen. Herr Wolf ließ hier wie auch andernorts literarische Quellen sprechen. Mit den Worten Heines wurde die Situation in der Stadt bei der Übernahme durch die Franzosen lebendig.

Höhepunkt und Abschluss der Fahrt war der Besuch der Doppelkapelle Schwarzrheindorf bei Bonn. Es fügte sich, dass ein zufällig anwesender ehemaliger Diakon spontan das reichhaltige, zyklisch aufeinander bezogene Bildprogramm nach Visionen des Ezechiel erläuterte.

Mit dem Dank für die umsichtige Planung und Leitung durch Herrn Wolf und für  verschiedene Expertenbeiträge zum Soester Recht, zur Geologie und zur Architektur endete die intensive Erkundung der Kultur in Westfalen und an Rhein und Ruhr. Für die Wiederholung der Fahrt vom 17.-19.8.  stehen noch wenige Plätze zur Verfügung (Anmeldung unter 06031/ 93281).

Lothar Kreuzer

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