Frau und Herr Wolf: Ein Tag voller vielfältiger kultureller Entdeckungen Zum Seitenende

Wetterauer zeitung, 05.10.2011

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Fahrt des Literaturprojekts und Geschichtsvereins zu fünf Erinnerungsorten an Schriftsteller im Großraum Frankfurt

von Lothar Kreuzer

 

Unter Leitung von Margarete und Hans Wolf führten das Literaturprojekt der Ev. Kirchengemeinde und der Friedberger Geschichtsverein gemeinsam eine Tagesfahrt zu fünf Erinnerungsorten an Schriftsteller im Großraum Frankfurt durch. Der Schwerpunkt lag bei der ersten erfolgreichen deutschen Autorin Sophie von La Roche (1730-1807) und ihren Nachkommen über vier Generationen hinweg, beginnend mit der Einheirat der Tochter Maximiliane in die reiche Familie Brentano. Zwei von deren zwölf Kindern heirateten in die Familien von Savigny bzw. von Arnim, Bettina von Arnims Tochter Maxe den Grafen von Oriola, deren Sohn Waldemar in das Schloss Büdesheim einheiratete und an der Wende des 19. zum 20. Jh. Reichstagsabgeordneter des Wahlkreises Friedberg war.

Das Schloss Büdesheim, einst ein Mönchshof und dann Sitz des bedeutenden Friedberger Burggrafen Brendel, verwandelte sein Vorbesitzer in ein Mustergut, das ein Glanzpunkt wirtschaftlichen Fortschritts in ganz Oberhessen war. Waldemar von Oriola und seine Frau, verwitwete Marie von Berna, bauten das prunkvolle neue Schloss. Er stammte aus portugiesischer Adel und machte in Berlin politische Karriere mit einem Wahlbündnis seiner Nationalliberalen mit dem Zentrum und den Antisemiten. Nach seinem plötzlichen Tod 1910 gewann der Friedberger Arbeiter Heinrich Busold erstmals für die Sozialdemokraten den Wahlkreis.

An allen Stationen wartete Frau Wolf mit authentischen Texten auf. Im Büdesheimer Gästebuch schilderte 1887 die Verwandtschaft die moderne Inneneinrichtung und das künstlerische Leben im Schloss. Marie von Oriola gab beim befreundeten Maler Böcklin „ein Bild zum Träumen“ in Auftrag. Daraus entstand die „Toteninsel“, die Teil der Büdesheimer Kunstsammlung wurde. Auszüge aus dem Briefwechsel mit dem „ganz ergebenen“ Maler handelten von den Lieferschwierigkeiten und zeigten den typischen Briefstil. Maxe von Oriola war gern gesehener Gast bei ihrem Sohn in Büdesheim und schrieb hier an ihren Lebenserinnerungen. Aus ihrer Feder stammte das von ihrer Schwester illustrierte Gedicht „Huldigung für einen romantischen König“ von 1842/43. Es löste ein Versprechen für Friedrich Wilhelm IV. ein. In Potsdam wurde die märchenhafte Arabeske dem Monarchen vorgetragen.

Auf das Hofgut Trages der Familie von Savigny im vorderen Spessart heiratete 1804 Gunda Brentano ein. Hier trafen sich die Romantiker. Im Waschhaus, heute eine Station des Literaturlandes Hessen, logierte Karoline von Günderrode. Bettina von Arnims „Die Günderrode“ schilderte u.a. Kissenschlachten, Ausritte und Literatenleben. Von Savigny korrespondierte mit dem „lieb Günderrödchen“. Clemens Brentanos „Gockel, Hinkel und Gackeleia“ glossierte die Zeit aus der Märchenperspektive.

Eine Station war die Grabpyramide der Ahnherrin La Roche vor der Renaissancefassade des Isenburger Schlosses in Offenbach. Ihre Tochter Maximiliane, mit Goethe bekannt, ist in die Figur der Lotte im Werther eingegangen. Vor 1800, zu Goethes und Lili Schönemanns Zeiten, lebte man im aufstrebenden Offenbach mit seinen großzügigen Grundstücken zum Main hin schöner als in Frankfurt.

Georg Brentano erwarb ab 1808 seinen Landsitz in Rödelheim, gestaltete in vier Jahrzehnten den Landschaftspark, kaufte 1819 das Haus des Bäckers Petri, ließ es von Schinkel in ein Schweizer Haus umbauen, richtete es durchdacht und mit Platz für einen Bienenstock als Refugium mit Taunusblick ein. Ein Förderverein mit potenten Sponsoren rettete das Idyll an der Nidda vor dem Verfall. Vor dem Haus empfängt ein 261 Jahre alter Ginkgo die Besucher. Ob Goethe am Tag, bevor er Marianne von Willemer sein berühmtes Gedicht widmete, zwei Blätter, die der Erstausgabe beilagen, hier gepflückt hat?

Bettina von Arnims Tochter Gisela heiratete den Sohn von Wilhelm Grimm. Auch dies war Anlass zum Besuch der Brüder- Grimm- Stadt Hanau, in der nach den Weltkriegszerstörungen sich nur noch wenige authentische Spuren finden. Frau Wolf ließ mit Zitaten aus Jacob Grimms Lebensbesinnung Details des Elternhauses und seiner Kindheit, z.B. die Unterweisung im Lesen und in Religion durch seine Tante, lebendig werden.

Zum Abschluss eines Tages vielfältiger kultureller Entdeckungen und literarischer Begegnungen trug unter großem Beifall das Ehepaar Wolf Abschnitte aus dem West- östlichen Diwan, in den Goethe ungefragt auch Verse Mariannes von Willemer einfügte, in den Rollen von Hatem und Suleika vor.

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