Dr. Christian Ottersbach: Aus Wehrtürmen werden Festungsanlagen

Wetterauer Zeitung , 21.12. 2011

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Dr. Christian Ottersbach spricht beim Geschichtsverein Friedberg über \“Burgen in der Wetterau\“

von Johannes Kögler

 

Vortrag beim Friedberger Geschichtsverein: Dr. Christian Ottersbach: „Burgen in der Wetterau – Zeugen adeliger Bau-und Wohnkultur vom 11. bis 17. Jahrhundert“ am 8. Dezember 2011

Den „Burgen in der Wetterau“ war der letzte Vortrag des Jahres im Programm des Friedberger Geschichtsvereins gewidmet. Das Thema rief großes Interesse hervor, so dass der Referent des Abends, Dr. Christian Ottersbach aus Esslingen, im Bibliothekszentrum Klosterbau einen voll besetzten Saal vor sich hatte. Dr. Ottersbach hat über den Schlossbau im 19. Jahrhundert promoviert und zahlreiche Artikel und Bücher zur Burgenforschung verfasst, unter anderem ein Buch über „Burgen und Schlösser im Rhein-Main-Gebiet. Er ist Mitbegründer und 2. Vorsitzender des Marburger Arbeitskreises für Burgenforschung leitet gemeinsam mit einer Kollegin das Projekt „Burgen, Schlösser & Paläste“ in der KulturRegion FrankfurtRheinMain.

Beim Stichwort „Burg“ hat jeder eine ganz bestimmte Vorstellung im Kopf, in der meistens Mauern mit Zinnen, Türme, ein Burggraben sowie ein Tor mit Fallgatter und Zugbrücke vorkommen. Dieses verkürzte Bild einer Burg ist tief in uns verwurzelt, wie der Referent am Beispiel von Kinderbildern zu Beginn deutlich machte. Ihren Ursprung hat diese zeichenhafte Vorstellung einer Burg bereits im Mittelalter, ihre prägnante und bis heute gültige Ausgestaltung hat sie dann in der Burgenromantik des 19. Jahrhunderts erfahren. Fragt man, was eine Burg von ihrem Ursprung her ist und wozu sie diente, so lässt sie sich kurz als wehrhafter Wohnsitz eines Adeligen definieren, sei es des Königs, eines Grafen, Ritters oder Bischofs. Von ihrer Nutzung her waren Burgen Multifunktionsbauten, ebenso Wehranlagen wie landwirtschaftliche Großbetriebe. Für die unterschiedlichen Arten und Merkmale von Burgen brachte Dr. Ottersbach eine Reihe von Beispielen, fast immer aus der Wetterau selbst, die wie die ganze Rhein-Main-Region eine ausgesprochene Burgenlandschaft ist. Prominentes Beispiel, das immer wieder genannt und gezeigt wurde, ist die Burg Münzenberg – Wahrzeichen der Wetterau –, aber auch die Burg Friedberg als eher untypische Anlage wurde mehrfach angeführt.

Nach dieser Einführung gab der Referent einen Überblick über die geschichtliche Entwicklung der Rhein-Main-Region, die bereits im Mittelalter eines der Zentren des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation bildete. Dazu gehört Frankfurt bereits in karolingischer Zeit; in salischer und vor allem staufischer Zeit waren der Reichsforst Dreieich und die Wetterau mit dem Reichsforst Büdingen eine wichtige Machtbasis für das Königtum. Unter Friedrich I. Barbarossa wurde die Wetterau zu einer Terra Imperii, einem Reichsland ausgebaut; in diesen Zusammenhang gehören unter anderem Münzenberg, Gelnhausen, Büdingen und Friedberg, aber auch Burgen am Taunusrand wie Kronberg oder Königstein. Ottersbach ging in seinem historischen Überblick bis ins Spätmittelalter, nannte die maßgeblichen Adelsgeschlechter, die aufstiegen oder untergingen. Bei allen wechselnden Machtverhältnissen blieb die Wetterau geprägt von kleinen und kleinsten Herrschaften – ein Grund für große Zahl von Burgen in dieser Landschaft.

Im dritten Teil des Vortrages richtete sich der Blick auf die Burg als Bauwerk, wobei der Referent zum einen auf die Entwicklung des Burgenbaus vom 10./11. bis 17. Jahrhundert einging, zum anderen auf die große Variationsbreite, die sich aus den Bauherren und Eigentümern ergibt. So entstanden Burgen zu Beginn aus dem Bedürfnis des Adels heraus, sich abzugrenzen und seinen ritterschaftlich-adeligen Status zu demonstrieren. Dazu wurden zunächst einfache Türme gebaut, oft nicht einmal aus Stein, sondern aus Holz. Später wurden die Türme auf künstlich aufgeschüttete Hügel gesetzt oder mit Gräben umgeben, oder man ging aus den Dörfern heraus und verlegte den befestigten Wohnsitz auf vorhandene Berge oder Hänge. Im 12. Jahrhundert wurde die Burg schließlich zu dem Statussymbol des Adels schlechthin und ein regelrechter Bauboom setzte ein. Die ideale „Ritterburg“ der Stauferzeit umfasste mehrere Gebäude, die sich an eine Ringmauer lehnten, welche wiederum dem Geländeverlauf angepasst war. Anstelle von Wohntürmen wurden nun Bergfriede errichtet, die weithin sichtbare steinerne Zeichen der Macht waren. Die Wohnfunktion wurde aus dem Wohnturm in andere Gebäude ausgelagert, den Saalbau und die Kemenate oder auch den Palas, der Wohn- und Repräsentationsfunktion verband. Burgkapellen wurden entweder in andere Bauten intergiert oder seltener als eigenständige Sakralbauten errichtet. Im Lauf des Spätmittelalters werden die Wehranlagen mit starken Mauern, Zwingern und weiteren Türmen immer mehr zu festungsähnlichen Anlagen, vor allem als Folge der aufkommenden Feuerwaffen, die seit dem 14. Jahrhundert zum Einsatz kommen. Ein schönes Beispiel für einen Geschützturm am Ende des 15. Jahrhunderts ist der „Dicke Turm“ in Friedberg; eine ganze Anlage dieser Zeit ist die Ockstädter Burg mit vier Geschütztürmen an den Ecken. Auch wenn die Burgen im 16. und 17. Jahrhundert einer weitentwickelten Artillerie nicht mehr standhalten konnten, so boten sie bei kleineren Auseinandersetzungen und gegen Marodeure weiterhin Schutz. Einzelne Elemente des Burgenbaus wurden noch in den Schlossbau der Renaissance und des Frühbarocks übernommen.

Nach der engagiert vorgetragenen einstündigen Tour de Force durch 700 Jahre Burgenbau gab es noch etliche Fragen, die Dr. Ottersbach gerne beantwortete, bevor der Vorsitzende des Geschichtsvereins, Lothar Kreuzer, mit seinem Dank an den Referenten den Abend beschloss.

Johannes Kögler

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