Dr. Bernd Vielsmeier: Vom Kappesgarten über die Beunden bis hin zur Orangerie
Wetterauer Zeitung, 16.11.2011
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Vortrag von Dr. Bernd Vielsmeier beim Geschichtsverein über die Geschichte von Gärten und Parks in der Wetterau
von Achim Meisinger
Streifzug durch die Geschichte von Gärten und Parks in der Wetterauu
Vom Kappesgarten über die Beunden bis zur Orangeriee
Mit einem Vortrag zur Geschichte der Gärten und Parks in der Wetterau startete der Friedberger Geschichtsverein vergangene Woche in die Vortragssaison 2011/12..
Dazu konnte der 1. Vorsitzende Lothar Kreuzer mit Herrn Dr. Bernd Vielsmeier einen profunden Kenner der Materie begrüßen. Dr. Vielsmeier gab zunächst einführend einen Überblick zur Entwicklungsgeschichte und zur Funktion von Gärten, beginnend mit Frühformen zur Zeit der Römer, der Klostergärten sowie Wirtschafts-, Wein- und Baumgärten des Mittelalters, der Lustgärten und Parkanlagen der Renaissance und des Barocks bis zu den Gärten der Brunnen- und Kuranlagen der Neuzeit.
Das deutsche Wort „Garten“ ist aus dem germanischen Sprachgebrauch entnommen und findet sich auch in anderen europäischen Sprachen wie dem englischen „yard“, dem französischen „Jardin“ oder dem italienischen „Giardino“ wieder. „Park“ hingegen geht auf das lateinische Wort „Parricus“ zurück und bedeutet „Pferch“, stammt ursprünglich aus dem Französischen und stellt eine umschlossene großflächige Grünanlage zum Schmuck der Schlossanlagen dar. „Gärten“ bzw. „Parks“ sind stets durch Zäune oder Mauern deutlich abgegrenzt und hatten in der Vergangenheit neben der Aufgabe als Nutzgarten auch die Funktion als Ort der Entspannung und Erholung. Dr. Vielsmeier wies darauf hin, dass die großen monotheistischen Weltreligionen Juden-tum, Christentum und Islam interessanter Weise Gott selbst als ersten Parkschöpfer und Gärtner darstellen. Dabei verdeutlichte er den Zuhörern, wie sehr die Menschen seit alters her die Abge-schiedenheit von Gärten als Ort der Stille und der Ruhe aufsuchen und diese dabei gleichzeitig auch Ressourcen schonend bewirtschafteten. Mit der Pflege von Gärten in Europa wurde der Mensch quasi sesshaft und beendete das Nomadentum.
Ganz entscheidende Impulse für die Gartenkultur brachten, wie so oft, die Römer vor 2000 Jahren in die Wetterau. Der für unsere Landschaft typische Begriff der „Kappesgärten“ rührt von dem lateinischen Wort Caputt und bedeutet übersetzt „Kopf“ oder „Haupt“, was nichts anderes als „Krautkopfgärten“ meint, welche oft in Siedlungsnähe lagen. Diese wurden, da sie einen relativ geringen Pflegeaufwand benötigten, in der Regel in feuchtem Gelände als sogenannte „Wiesengärten“ vor den Dörfern angelegt. Daneben wurden Sonderkulturen wie Erbsen, Flachs, Hanf, Hopfen und Wein, da diese auf Getreidefeldern nicht angebaut werden durften, auf Feldgärten bewirtschaftet. Die Feldgärten waren durch eine Umzäunung eingebunden. Der vielerorts noch gebräuchliche Flurnamen „Beune“ oder „Beunde“, wie z.B. in Ockstadt, erinnert an diese Form der landwirtschaftlichen Bodennutzung. Neben der eigentlichen Funktion der Nahrungsmittelproduktion erlangten die Gärten im Mittelalter immer mehr auch eine wichtige Bedeutung als Kräutergärten für Arzneipflanzen in den Klöstern. Mit der Entdeckung Amerikas und der Erforschung des Orients hielten auch exotische Pflanzen u.a. über die Universitätsstadt Gießen, in der ein großartiger botanischer Garten bereits 1609 entstand, auch verstärkt Einzug in die Wetterau. Die einzige Orangerie mit Palmengarten der Wetterau errichtete Ende des vorletzten Jahrhunderts Waldemar Graf von Oriola in Büdesheim im sogenannten „Paradiesgarten“. Aber auch kein geringerer als Johann Wolfgang von Goethe bemühte sich etwa 100 Jahre zuvor um die Gestaltung des Landschaftsgartens auf Schloss Ziegenberg. Der Gartenarchitekt des namhaften Fürsten Pückler-Muskau, Heinrich Petzold schuf 1874 sogar den Schlosspark in Staden.
In der damaligen Zeit entstanden dann auch im Zuge der Gesundheitsfürsorge und dem damit ver-bunden Bau von Kur- und Brunnenanlagen die großen Parkflächen von Hanau-Wilhelmsbad, Frank-furt-Palmengarten und nicht zuletzt der Bad Nauheimer Kurpark. Für den Bau dieses Parks in den Jahren 1857/58 war der in Groß-Karben aufgewachsene Gartenarchitekt Heinrich Siesmayer verantwortlich, dem der Referent abschließend eine ausführliche Betrachtung widmete. Dieser im englischen Stil ausgeführte Landschaftspark war in erster Linie durch große Wasser- und Wiesenflächen geprägt und vermittelte den Eindruck, man würde sich in freier Natur bewegen. Daher grasten auf den Grünflächen Kühe und auch Schäfer führten ihre Herden durch den Park.
Dem Referenten Dr. Vielsmeier gelang es anhand zahlreicher Abbildungen dem Publikum auf sehr anschauliche Weise die abwechslungsreiche Entwicklung und die Bedeutung von Gärten in den jeweiligen Epochen von einfachen landwirtschaftlichen Nutzgärten bis hin zu großflächigen thematischen Landschaftsgärten, bei denen sogar die Streckenführung des Eisenbahnbaues in der Wetterau integriert wurde, darzustellen.
(Achim Meisinger)