Hans Wolf: Von Kelten und Römern, Rilke und Büchner
Wetterauer Zeitung, 16.05.2009
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Geschichtsverein erkundet acht Stationen rund um das Gießener Becken – Spurensuche vom Dünsberg bis zur Badenburg
von Lothar Kreuzer
Eine Tagesfahrt….
führte den Friedberger Geschichtsverein unter der bewährten Regie seines neuen Ehrenvorsitzenden Hans Wolf zu acht Stationen rund um das Gießener Becken.
Ein erster längerer Aufstieg führte zu den Befestigungsringen der großen keltischen Siedlung am Dünsberg. Auf einer Länge von etwa 10 km sicherten hier drei Mauerringe, die über Jahrhunderte hinweg in verschiedenen Bauabschnitten angelegt wurden, den Hang gegen Angreifer. Die Stein- Erde- Mauern, von Quer- und Längspfosten aus Holz stabilisiert, bildeten nach ihrem Zerfall die im Landschaftsprofil noch gut zu erkennenden Ringwälle. Die Tore, in Winkel der Mauer eingepasst, ließen sich gut verteidigen. Der Dünsberg ist ein archäologisch wichtiger Fundort, mit Hinweisen auch auf Kämpfe gegen die Römer unter Drusus im Jahr 15 v. Chr.
Nächste Station waren die in Sichtweite gegenüberliegenden Burgen Gleiberg und Vetzberg. Die im 10. Jahrhundert mit bemerkenswert dicken Mauern vom Geschlecht der Konradiner errichtete Burg Gleiberg war der bedeutendste Herrschaftssitz der gesamten Region. Herr Wolf verdeutlichte die vielfältigen dynastischen Beziehungen der Grafen von Gleiberg, die als Reichsfürsten zu einer wichtigen Stütze der sächsischen Könige wurden. Auch die Existenz einer Stadtmauer zeugt von der ehemaligen Bedeutung. Von Gleiberg führen historische Linien nach Gießen, von hier aus wird das Chorherrenstift der Augustiner auf dem Schiffenberg gestiftet, die hier residierenden Herren spielen eine bedeutende Rolle in der Konkurrenz zwischen Hessen- Kassel und Hessen- Darmstadt.
Der Basaltbau der Burg Vetzberg wurde als Sitz Gleiberger Vögte errichtet. Durch Ganerbschaft, eine ritterliche Erbengemeinschaft, konnte der Besitz zusammengehalten werden. Der berüchtigten Raubritterschaft der Vetzberger in späterer Zeit wurde 1495 durch einen Landfrieden ein Ende gemacht.
Am Beginn des Nachmittagsprogramms standen zwei weniger bekannte, aber Aufsehen erregende Orte. Zum einen das im 19. Jahrhundert im neugotisch- englischen Stil errichtete Schloss Friedelhausen, in der Nähe des alten Gutshofs abseits im Wald, aber idyllisch oberhalb der Lahn gelegen. Finanziert wurde es von der aus einer jüdischen Familie stammenden reichen Gattin des Gutsherrn, gebaut nach Plänen eines bekannten Architekten aus ihrer englischen Heimat. Ruhm erlangte das Schloss durch Rilkes Aufenthalt im Jahre1905. Dieser hatte sich mehrere Wochen bei der Gräfin von Schwerin einquartiert und an der Lahn die Arbeit an seinem Stundenbuch abgeschlossen. Herr Wolf zitierte spätere Äußerungen Rilkes, die seine anhaltende Begeisterung über die Zeit in Friedelhausen eindrucksvoll belegten.
Die weitere Attraktion war die zweischiffige gotische Hallenkirche von Kirchberg. Hier referierte Johannes Kögler, der Leiter des Wetteraumuseums, über frühere Forschungen im Rahmen seiner Magisterarbeit. Er stellte die für den ländlichen Raum besondere, in ihrem Grundriss auffällige Kirche ausführlich vor. Die Pfarrkirche, bei der auch Gerichtsbarkeit angesiedelt war, war nur von geringer Bebauung umgeben und verdankt ihre Art, ihre Größe und prächtige Innenausstattung den Adelsgeschlechtern der nahen Burg Staufenberg, die den alten Kirchenstandort beibehalten und aufgewertet haben. Staufenberg selbst war ein wichtiger Posten gegenüber den Mainzern, die auf der Amöneburg saßen.
An der Badenburg, etwas nördlich von Gießen direkt an der Lahn, versetzte Hans Wolf die Fahrtteilnehmer in den Juli 1834. Er zitierte aus dem Vorwort des Hessischen Landboten, der revolutionären Flugschrift, verfasst vom Medizinstudenten Georg Büchner, umgearbeitet und im Ton gemäßigt durch den Butzbacher Pfarrer und Lehrer Weidig. Die achtseitige Flugschrift, an die unterdrückten Bauern gerichtet, erfuhr auf der Badenburg ihre endgültige Redaktion. Neben der literarischen Arbeit gehörten zum revolutionären Treiben auch Schießübungen. Das Unternehmen wurde später verraten, Büchner konnte fliehen, Weidig nahm sich nach schwerer Folter im Darmstädter Gefängnis das Leben.
Letzte Station war das hochadlige Stift auf dem Schiffenberg. 1129 als Skephenburg gegründet verweist der Name auf Schöffen, es befand sich hier also ein Gerichtssitz. Dominiert wird die Anlage von der ehemals dreischiffigen romanischen Basilika. Die Chorherren führten ein sündhaftes Leben, so dass der Trierer Erzbischof 1323 den Deutschen Ritterorden als neuen Herrn einsetzen ließ. Herr Wolf verwies auf ein barockes Wappen, das mit dem am Deutschordenshaus in der Friedberger Burg identisch ist. Dem Zugriff der hessischen Landgrafen konnte man sich dank des Schutzes des Kaisers und der Kirche entziehen.
Mit dem Dank an ihren Exkursionsleiter und in Erwartung der nächsten Fahrt verabschiedeten sich die Mitfahrenden am Ende eines erlebnisreichen Tages mit abgerundetem Programm.
Lothar Kreuzer