Dr. Christian Hartmeier: Kein Anlass für Umbenennung der Schule

Wetterauer Zeitung, 11.10.2009

»Dr. Christian Hartmeier: Kein Anlass für Umbenennung der Schule«

Dr. Christian Hartmeier spricht im Klosterbau über Leben und Werk des Schriftstellers Albert H. Rausch (Henry Benrath)

von Lutz Schneider

 

Dr. Christian Hartmeier spricht im Klosterbau

„Kein Anlass für Umbenennung der Schule““

Dr. Christian Hartmeier spricht im Klosterbau über Leben und Werk des Schriftstellers Albert H. Rausch (Henry Benrath)

Im gut besuchten Bibliothekszentrum Klosterbau referierte Dr. Christian Hartmeier beim Friedberger Geschichtsverein über Albert H. Rausch, der 1932 den Künstlernamen Henry Benrath nach Schloss Benrath bei Düsseldorf annahm. Die Stadt Friedberg und der Friedberger Geschichtsverein hatten die Drucklegung der kürzlich erschienenen Dissertation Hartmeiers über Benrath mit dem Titel „Mich wiegt ein Lied aus Göttertagen…“ maßgeblich mitfinanziert. Die Arbeit selber war Gegenstand einer ausführlichen Rezension durch WZ-Redakteur Jürgen Wagner (WZ vom 29. September). Das so vorab bereits gut informierte und auch sonst sehr fachkundige Publikum wartete daher gespannt auf die persönlichen Ausführungen des Referenten. Hartmeier hob noch einmal die Außenseiterrolle Benraths hervor, die schon in seiner Schulzeit sichtbar wurde. Begründet wurde diese Rolle nach Hartmeier weniger durch Benraths Homosexualität, sondern durch seine Mutter, die ihre Wünsche auf ihn projizierte und ihn als Pagen kleidete sowie durch seine Selbstinszenierung als kunstsinniger Schöngeist. Kunst war für Benrath Lebensinhalt und Lebenselixier.

Da Hartmeier das Publikum immer wieder zu Fragen ermunterte, entwickelte sich der zweite Teil des Vortrages zu einer Diskussion zwischen den Zuhörern und dem Referenten. Dabei hoben viele Zuhörer ihr Unbehagen an der „zwielichtigen“ Persönlichkeit Benraths hervor und offen wurde die Frage gestellt, ob es aus heutiger Sicht noch zu rechtfertigen sei, eine Schule und eine Straße in Friedberg nach ihm zu benennen.

Hartmeier stellte klar, dass es für Umbenennungen keinerlei Anlass gäbe. Er stufte Benrath als „selektiven Sympathisanten“ der Nationalsozialisten ein. Im Gegensatz zu den von ihm abschätzig als „Literaten“ eingestuften Schriftstellern der Weimarer Republik, sah sich Benrath als „Dichter“, dessen Literatur Lebenshilfe für die Menschen bietet. Hitler war für ihn Ende der 1930er und Anfang der 1940er Jahre ein friedenswilliger Staatsmann, der die Demütigung Deutschlands durch den Versailler Vertrag überwand und unter deutscher Führung ein vereinigtes Europa schuf, dessen Werte- und Schicksalsgemeinschaft gegen die kollektivistischen Staaten wie die USA und die Sowjetunion verteidigt werden musste. Es blieb ein Abend, bei dem die Widersprüche in Benraths Persönlichkeit im Mittelpunkt standen, sei es in seiner Haltung gegenüber dem NS-Regime nach 1945 oder in der ungeklärten Rolle, die er im Herbst 1944 bei der Rettung von fünf oberitalienischen Dörfern vor der Vernichtung durch die Deutsche Wehrmacht spielte.

Abgerundet wurde der abwechslungsreiche Vortrag durch die Besichtigung einer kleinen Ausstellung, die das Stadtarchiv Friedberg im 1. Stock des Bibliothekszentrums Klosterbau anlässlich des 60. Todestages von Henry Benrath konzipiert hatte. Bei Apfelwein und Brezeln wurde manche Diskussion im Angesicht der ausgestellten Exponate weitergeführt. Die Ausstellung im Bibliothekszentrum Klosterbau kann noch bis zum 22. Oktober während der Öffnungszeiten besichtigt werden.

Lutz Schneider

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