Tagesfahrt Kurtrier, Sayn, Wied

Hans Wolf führte den Friedberger Geschichtsverein auf einer Tagesfahrt in das Gebiet von Kurtrier und in die Grafschaften Sayn und Wied am Mittelrhein. Auch im 52. Jahr als Fahrtenorganisator verstand er es, die über fünfzigköpfige Reisegruppe kompakt über die historischen Zusammenhänge zu informieren, setzte bei den Besichtigungen Schwerpunkte und verwies veranschaulichend auf heimische Parallelen.
Als erstes gab es einen Kurzstopp an der Lahn mit Blick hinauf zu St. Lubentius in Dietkirchen, der 841 erwähnten Basilika am wichtigen Stützpunkt des Erzstifts Trier östlich des Rheins. Vom Erzbistum Trier aus erfolgte hier die erste Christianisierung in Hessen, die zur Legendenbildung um den Heiligen beitrug.
Montabaur wurde im Mittelalter den Trierer Erzbischöfen übertragen. Dietrich von Wied gab nach einem Kreuzzug der Burg den Namen „mons Tabor“. Am Fuße der später zum Renaissanceschloss ausgebauten Burg entwickelte sich die Handelsstadt, in vielen Punkten mit Friedberg vergleichbar. Als Kreisstadt des Westerwaldes blüht sie durch den ICE-Halt auf.
Nach Achim Meisingers geologischen Informationen zum Kannebäcker Land ging es nach Sayn und Wied, in die kleinen Territorien ursprünglich fränkischer Gaugrafen, in denen ab dem 18. Jahrhundert herausragende Entwicklungen für Furore sorgten. In der Sayner Hütte, einem wichtigen Arbeitgeber der Region, nahm nach der Gründung 1769 im Auftrag des Trierer Erzbischofs die Eisenverhüttung Fahrt auf, begünstigt vom Wasser- und Holzreichtum der Region. Sayn wurde nach der Übernahme 1815 durch den preußischen Staat Musterbetrieb, was 1865 bis zum Ende 1927 zur Übernahme und zum Ausbau durch den Krupp-Konzern führte. Die kathedralenartige Gießhalle von 1830 gilt als Leuchtturm der beginnenden Industrialisierung und der Entwicklung modernster Maschinen. Hier kann die Produktion um den ehemaligen Hochofen bis hin zum Abstich mittels einer Inszenierung nachvollzogen werden. Die Kunstguss-Galerie spiegelt die 250jährige Firmengeschichte mit ihren hochwertigen Produkten wider.

Hans Wolf informiert über Leben und Wirken des berühmten Kunsttischlers David Röntgen – auf der Freitreppe von dessen Wohnhauses in Neuwied.

Nachdem die Grafen von Wied in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts vom Westerwälder Tal an den Rhein gezogen waren, warben sie für Neu-Wied durch die Vergabe von Privilegien Neubürger an. Als erste deutsche Fürsten praktizierten sie Toleranz und siedelten Gläubige von sieben verschiedenen Konfessionen an. Unter ihnen waren aus der Herrnhuter Gemeinde der Möbeltischler Abraham Röntgen, der lange auf dem Herrnhaag bei Büdingen zuhause war, und sein Sohn David. Sie waren auf Messen präsent, faszinierten u.a. Goethe, belieferten alle Fürstenhöfe Europas mit Möbeln im Stil des Rokoko und des Klassizismus. Die Manufaktur ihrer hochwertigen Arbeiten mit Messing-Intarsien oder Marketerien und mit technischen Raffinessen hatte vor der Zerschlagung in den Kämpfen der französischen Revolution bis zu 70 Mitarbeiter, vorangetrieben durch den Geschäftssinn David Röntgens. Die Museumsleiterin persönlich führte den Gebrauch der sog. Verwandlungstische vor.
Vor der Wohn- und Arbeitsstätte Röntgens bzw. am Tor des Residenzschlosses der Fürsten Wied endete die Fahrt des Geschichtsvereins. Hans Wolf galt der Dank für den Tag „aus einem Guss“.
Lothar Kreuzer
Wetterauer Zeitung, 20.06.2024
Veranstaltungen
< 2024 >
Juni
MDMDFSSo
     12
3456789
10111213141516
17181920212223
24252627282930