Vortrag Bender, Architektur und Städtebau in Friedberg1933/45.
Architektur und Städtebau in Friedberg 1933-1945
Vortrag von Architekt Dipl. Ing. Michael Bender beim Friedberger Geschichtsverein
Am vergangenen Donnerstag referierte der Friedberger Architekt Michael Bender beim Friedberger Geschichtsverein über die Bauprojekte, die zwischen 1933-1945 in Friedberg geplant und umgesetzt wurden. Diese sind teilweise noch heute im Stadtbild sehr gut erkennbar. Maßgeblich waren die Friedberger Architekten August Metzger und Heinrich Hohmann an diesen Bauvorhaben beteiligt.
In seiner Einführung wies Bender darauf hin, dass interessanterweise durch erst die neue Namensgebung der Straßen, wie Adolf Hitler-Anlage (heute wieder Mainzer-Tor-Anlage) oder Hermann Göring -Straße (heute wieder Gartenfeldstraße) die Vornamen mit aufgenommen wurden, so dass daraufhin Straßen, die bis 1933, wie zum Beispiel die Ebert-Straße 1947 in Friedrich Ebert-Straße umbenannt wurden. Diese hieß zwischen 1933-1945 Peter- Gmeinder-Straße. Bemerkenswert ist auch, dass die heutige Saarstraße ihre Namensbenennung 1934 erfuhr, um zur damaligen Zeit eine Sensibilisierung für die Saarabstimmung im folgenden Jahr zu erzeugen.
Insgesamt sind im Dritten Reich 100 Objekte in Friedberg entstanden, wobei der Schwerpunkt der baulichen Aktivitäten zwischen 1933 und 1940 lag. Danach konnten nur noch wenige Objekte verwirklicht werden.
Im ersten Teil berichtete der Referent über Wohngebäude.
Drei große Siedlungsprojekte wurden in der Zeit des Nationalsozialismus durchgeführt, die auch heute noch zumindest in Teilbereichen den Typus der sogenannten „Blut- und Boden-Architektur“ erkennen lassen. Zum einen sind dies die Wohnhäuser der „Stadtrandsiedlung“ an den 24 Hallen – später Burgsiedlung genannt. Eine Konzeption zum Bau dieser Siedlung gab es bereits 1924, die allerdings aus finanziellen Gründen nicht umgesetzt werden konnte. Zum Bau der Siedlung wurden die Friedberger Bürger zu Spenden aufgefordert, um dieses erste Projekt zu verwirklichen. 1950 wurde die Burgsiedlung nach Norden erweitert, deren großzügig ausgebildeter Straßenraum bis heute nahezu unverändert geblieben ist. Sie war typisch für die damalige Bauweise in allen Gauen Hessens und ist auch in Bad Nauheim in der Goldsteinsiedlung noch erkennbar.
Westlich der Burg wurde die „Riedsiedlung“ durch den damaligen Stadtbaumeister Leopold Köhler errichtet. Während die Burgsiedlung Parteiangehörigen zugewiesen wurde, war die Riedsiedlung kinderreichen Familien vorbehalten, die zwar keine Parteigänger, jedoch als „politisch verlässlich“ einzustufen waren. Die Gebäude wurden in Holzbauweise an der Gemarkungsgrenze nach Ockstadt errichtet und 1962 abgerissen. In der Steinhäuserstraße entstanden zwischen 1936 und 1937 die Häuser der Baugenossenschaft „Eigener Herd ist Goldes wert“. Diese Gebäude können als typische deutsche Wohnhäuser dieser Zeit angesprochen werden, deren Vorbild Goethes Gartenhaus in Weimar war. Noch heute sind die Natursteinsockel aus rotem Sandstein und steinmetzmäßig bearbeitete Türeinfassung erkennbar.
Im zweiten Teil über öffentliche Bauten widmete der Referent ein besonderes Augenmerk der Bezirkssparkasse Mathildenstift (heute Sparkasse Oberhessen) und dem Polytechnikum, die beide, zwischen 1936 und 1937 erbaut, als repräsentative Architektur lange das Friedberger Stadtbild prägten. Während von dem 2004 abgerissenen Mathildenstift nur noch eine Löwenskulptur aus Sandstein bei der Villa Trapp erhalten geblieben ist, erfüllt das Polytechnikum, ein ehemals mit Säulen stark expressionistisch beeinflusstes Gebäude, noch heute seine Funktion.
Zur repräsentativen Architektur ist auch das Verwaltungsgebäude des Überlandwerkes (heute OVAG) zu zählen, das 1934 -1936 in der Hanauer Straße entstand. Auch dieser Bau orientierte sich an der klassischen Moderne, d.h. es wurde eine horizontale Fassadengliederung vorgenommen , und wies „scharrierte“ steinmetzmäßig bearbeitete Natursteinsockel auf. Darüber hinaus konnte die Fassade bedarfsgerecht verändert und somit zusätzlich vertikal durch Nischen für Fahnen gegliedert werden. 1990 wurden hier umfangreiche Umgestaltungsmaßnahmen vollzogen.
Auch die Wartturmkaserne, deren Bauzeit zwischen 1936 und 1937 lag, kann dem vorgenannten Architekturtypus zugeordneter werden. Interessant ist, dass die Giebelgestaltung einiger Funktionsgebäude der Kaserne an das Burggrafiat der Friedberger Burg angelehnt wurde.
Abschließend streifte Michael Bender Gebäude, die unerkannt im Friedberger Stadtbild vorhanden sind oder waren, wie die Autohäuser bzw. Garagen von Georg von Opel oder Hans Dunker. Sie wurden alle vom Friedberger Architekten Heinrich Hohmann um 1938/39 konzipiert.
Die Zuhörer dankten dem Referenten, dem es gelang, mit einem sehr engagierten und anschaulichen Vortrag, der zudem mit gutem Bildmaterial belegt wurde, mit lang anhaltendem Applaus. In der nachfolgenden Diskussion wurde deutlich, dass trotz der nationalsozialistischen Prägung der Bauwerke es notwendig ist, auch solche Bauwerke unter dem Gesichtspunkt der Zeitgeschichte zu erhalten.
Achim Meisinger