Prof. Hein, Luther in Worms

Pressemeldung des Friedberger Geschichtsvereins (verfasst von Malte Dücker)

Kein Held, aber ein Vorbild

Bischof i.R. Prof. Dr. Martin Hein referiert beim Friedberger Geschichtsverein über „Luther in Worms 1521“

Zum Abschluss der Vortragsreihe 2021 konnte der Friedberger Geschichtsverein noch einmal einen hochkarätigen Redner im „Alten Hallenbad“ begrüßen. Prof. Dr. Martin Hein – ehemaliger Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, renommierter Theologe und Kirchenhistoriker – referierte über Martin Luthers Auftritt vor dem Reichstag in Worms 1521. Der Vortrag sollte zum 500. Jahrestag des Reichstags ursprünglich bereits im April stattfinden, musste coronabedingt aber auf den November verschoben werden.

Prof. Martin Hein

Das Warten hatte sich gelohnt: Kurzweilig und sachkundig berichtete Hein über die theologischen, politischen und juristischen Hintergründe dieses wichtigen Ereignisses der Reformationsgeschichte, bei dem Martin Luther aufgefordert war, seine Schriften zu widerrufen. Luthers Verweigerung sei ein „Meilenstein der europäischen Geistesgeschichte“ gewesen, später aber häufig verklärt worden. Man dürfe Luther nicht als „nationalen Freiheitshelden“ auf einen Sockel stellen, sondern müsse ihn immer auch als Theologen verstehen. Dementsprechend machte der Vortrag deutlich, dass hinter Luthers Berufung auf die Gewissensfreiheit eben keine moderne Vorstellung von Autonomie steht, sondern immer die enge Bindung des Theologen Luther an die Autorität der Bibel mitbedacht werden muss.

Auch mit einer rechtsgeschichtlichen Einordnung wusste der studierte Jurist Hein zu überzeugen. Dass es überhaupt zum Prozess in der „Causa Lutheri“ gekommen war, hatte mit einer machtpolitischen Gemengelage zu tun, die die deutsche Politik bis heute immer mal wieder vor Herausforderungen stellt, wie der Referent scherzhaft bemerkte. Selbstbewusste Landesfürsten machten ihre Interessen gegen die Zentralmacht des Kaisers energisch geltend. Selbst der Urteilsspruch des jungen Herrschers Karl V. nach dem Reichstag wurde daher teils überhaupt nicht anerkannt. So kam es schließlich, dass Luther auch als Geächteter in seinem Heimatfürstentum Sachsen die Reformation weiterhin relativ unbehelligt voranbringen konnte.

Bekanntermaßen machte der Reformator auf seinem Rückweg dorthin auch Station in Friedberg. Seinen in der Wetterauer Reichsstadt verfassten Brief vom 28. April 1521 würdigte der Vortrag als wichtige Reflexion Luthers über den Wormser Prozess. Auch in Friedberg betonte Luther noch einmal, dass es ihm schlicht unmöglich sei, seine Bücher zu widerrufen, da dies bedeuten würde, „Gottes Wort zu verleugnen“.

Diese absolute Gewissensbindung Luthers an die Heilige Schrift macht für den Theologen Martin Hein heute noch die Relevanz des Wormser Geschehens aus. Bei aller mittelalterlichen Fremdheit könne Luther auch für nicht-religiöse Menschen als Vorbote „individuell begründeter persönlicher Haltungen“ verstanden werden. Der Referent hob hervor, dass er dankbar dafür sei, selbst noch nie auf eine so harte Gewissensprobe gestellt worden zu sein wie Luther 1521 oder etwa die Beteiligten am Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Gewissensentscheidungen können schließlich sehr einsam machen. Kein Held, sondern ein Vorbild für Zivilcourage und Rückgrat ist dieser Luther für Martin Hein – eine These die in der anschließenden Publikumsdiskussion noch für Gesprächsstoff sorgte.

Bei aller inhaltlichen Tiefe kamen im „Alten Hallenbad“ aber auch humorvolle Momente nicht zu kurz. Der Vorsitzende des Geschichtsvereins, Lothar Kreuzer, outete sich schon in der Anmoderation als ehemaliger Mitschüler des Referenten. So manche Anekdote aus der gemeinsamen Frankfurter Schulzeit und die ein oder andere lateinische Spitze Heins an den Altsprachler Kreuzer ließen den unterhaltsamen Vortragsabend auch abseits des historischen Stoffs zu einem vollen Erfolg werden.

 

Vgl. Wetterauer Zeitung 17.12.2021

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