Gilbert: WK Philipps, Friedberg-Perle der Wetterau

Friedberg (gk). »Wer Fribbersch sieht un hoats net gern, der bleibt de best von Fribbersch fern! Dann’s is doch ohne allen Schmus, die schenst Stoadt on de deutsche Us! Un sinn die Zeide aach als mau, die Perl bleibt’s von de Wedderau!« So sagte es einst »Unkel Kunneroad«, mit bürgerlichem Namen Wilhelm Konrad Philipps, in der »Wetterauer Umgangssprache«.

Wilhelm Konrad Philipps wurde 1884 geboren, absolvierte die Friedberger Augustinerschule, studierte in Gießen und Paris und wurde 1919 Leiter der »Höheren Mädchenschule« (spätere Schillerschule). 1933 entziehen ihm als Mitglied einer Freimaurerloge die braunen Machthaber die Schulleitung und stufen ihn zum einfachen Lehrer herab.

»Wetterauer Umgangssprache«

Gertrud Gilbert

Nach seiner Pensionierung im Jahr 1949 widmet sich Philipps (er stirbt 1963) ganz der Heimat- und Volkskunde und beginnt Gedichte in der von ihm so genannten »Wetterauer Umgangssprache« – einem Mittelding zwischen Hochdeutsch und echtem Dialekt – zu schreiben. Deshalb sind diese poetisch-nostalgischen Liebeserklärungen vom »Unkel Kunneroad« an seine Heimat auch für Nicht-Ureinwohner verständlich.

Die Bad Nauheimer Schauspielerin Gertrud Gilbert wandelte am Sonntagmittag im voll besetzten Bibliothekszentrum Klosterbau 90 Minuten lang auf den Spuren von »Unkel Kunneroad« durchs »aale Fribbersch« der Zwanzigerjahre. Burg, Adolfsturm, Dicker Turm, Stadtkirche, Kaiserstraße, Judenbad, Wasserturm, Usa, Seebach, Eisenbahnviadukt (»24 Hallen«), Georgskapelle, Seewiese, ehemalige Falksche Mühle und Fauerbacher Zuckerfabrik: In klug ausgewählten Texten erwachte das alte Friedberg in Gertrud Gilberts kongenialer Rezitation zu buntem Leben. Bereichert wurde ihr literarischer Rundgang durch kundige Informationen und historische Lichtbilder.

Wenn du so doarch die Heimat wannerschst, dann merksde gleich jed Dorf schwätzt annerscht«: Der dem Klischee eines »Mundartdichters« kaum entsprechende, hochgebildete Philipps hatte ein untrügliches Gespür für feinste sprachliche Nuancen. Mit Volkstümelei hat seine feinsinnige Lyrik nichts gemein. »Doarch unser Kaiserstroaß wird midde us Fribbersch hälfdig doarchgeschnidde. Se is der Stoadt ihr Lewensader, de Schauplatz vom Verkehrstheader.«

Warum gibt es eigentlich in Friedberg, so fragte Gertrud Gilbert, keine Wilhelm-Konrad-Philipps-Straße? Immerhin leistet sich die Kreisstadt ja auch einen Elvis-Presley-Platz.

Ein langes mehrstrophiges Gedicht Philipps‹ besingt Friedbergs »Gute Stube«, die Burg: Inne drin so fei un still, ‘s reinsde Feierdagsidyll. Fribberschs gude Stubb, ihr Leut, sache, wo merr sich dra freut.«

Feinste sprachliche Nuancen

Verklärte Blicke der älteren Besucher bezeugten es: Gilbert traf den Zauberton, der Erinnerungen an längst Vergangenes, Vergessenes wach werden ließ. Unter vielen kleinen Juwelen ist die Reminiszenz an die alte, in den 1980er Jahren stillgelegte Zuckerfabrik eines der schönsten: Sommers träumt in sießem Glick, unser Zuckerfowerik. Die Maschine stehn in Ruh, un de Schorn-staa guckt mit zu.

Beim kleinen, schon lange verschwundenen Wasserhäuschen auf dem heutigen Elvis-Presley-Platz endet Gilberts mit viel Beifall bedachter Friedberg-Rundgang auf den Spuren des »Unkel Kuonnerad«, dessen Poesie nicht in Vergessenheit geraten sollte.

Wetterauer Zeitung 19. 2.2020

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