Hoos, Revolution 1848/49

1848/49: Kein Plätzchen loyaler als Friedberg

Hans-Helmut Hoos setzte beim Friedberger Geschichtsverein unter dem Titel „Höhepunkte und Ende der Revolution in Friedberg vor 170 Jahren“ seine im Vorjahr begonnene Darstellung zur Revolution von 1848/49 fort. „Im Großherzogtum ist kein Plätzchen loyaler als Friedberg“ schrieb eine Frankfurter Zeitung im Jahre 1848 im Hinblick auf die gerade stattfindenden Bestrebungen zu einer demokratischen Umwälzung im Deutschen Bund, weswegen in der Paulskirche die Nationalversammlung tagte. Auch Großherzog Ludwig III. bestätigte den Friedbergern im Folgejahr, als die Revolution bereits gescheitert war, ihre Loyalität, obwohl sie „neue Hessen“ (sie gehörten erst seit 1803 zum Großherzogtum) waren. Dass es aber auch in Friedberg und der Wetterau durchaus revolutionäre Ansätze gab, belegte Hoos anhand zahlreicher Ereignisse. Dabei zeigte sich eine Spaltung in der Bürgerschaft, deren Ursache der Referent in der sozialen Frage, das heißt den Gegensätzen zwischen Arbeitern und Besitzbürgertum, aber auch in Krawallen gegen Friedberger Juden wegen deren „Wuchergeschäfte“ sah. Einerseits begründete Karl Scriba konkurrierend zum Intelligenzblatt das Wetterauer Volksblatt als Organ zur Verteidigung und zum Ausbau der im März 1848 errungenen Freiheiten (Meinungs- und Pressefreiheit, Volkssouveränität) und gründete sich der Deutsche Volksverein mit gleicher Zielsetzung. Andererseits entstand als Gegenbewegung der Freie Bürgerverein, der sich für eine konstitutionelle Monarchie unter weitgehender Aufrechterhaltung der bestehenden Verhältnisse einsetzte. 

Hans-Helmut Hoos

Hoos ging insbesondere auf eine Volksversammlung ein, die am 20. August 1848 mit rund 8000 Teilnehmern aus den unterschiedlichen Lagern auf der Seewiese stattfand und eine zentrale Veranstaltung der Revolutionsjahre in der Wetterau war. Zur Wahrung der Ordnung bei dieser Veranstaltung ebenso wie bei anderen politischen Aktionen wurde die im selben Jahr aufgestellte Bürgerwehr eingesetzt, unterstützt von den Turnern der Friedberger Turngemeinde (gegründet 1846). Bei der Volksversammlung ging es im Wesentlichen um die Vorwürfe gegen den einheimischen Abgeordneten in der Nationalversammlung, Gustav Hofmann, der zu sehr die Reaktion zu unterstütze. Der Bürgerverein stellte sich weiterhin hinter die Politik des Großherzogs, nur begrenzte Zugeständnisse zu den demokratischen und republikanischen Forderungen zu machen. 

Bereits zu Beginn des Jahres 1849 zeichnete sich dann das Ende der revolutionären Bewegung ab. Hoos nannte als Zeichen hierfür eine „Katzenmusik“ – eine bewusst unharmonische, provozierende  Darbietung – vor dem Haus des konservativen Landtagsabgeordneten Philipp Preußer, Eingaben reaktionärer Kräfte in der Stadt an den Großherzog gegen politische Aktivitäten der Seminaristen (Prediger- und Lehrerseminar) und Denunziationen unter anderem gegenüber Karl Scriba. Dieser hatte zum bewaffneten Widerstand aufgerufen, auch die Turngemeinde trat dafür ein, die in Frankfurt beschlossene Verfassung notfalls mit Waffengewalt zu verteidigen. Die Revolution brach schließlich zusammen, als der preußische König die ihm von der Nationalversammlung angetragene Kaiserkrone und die dort verabschiedete Reichsverfassung – vom Großherzog übrigens angenommen –  ablehnte. Im Juni 1849 wurde Scriba wegen Verdachts des Hochverrats und Pressevergehens verhaftet, später allerdings freigesprochen. Als die großherzogliche Regierung Volksversammlungen verbot und das Volksblatt sein Erscheinen einstellen musste, war, wie Hoos konstatierte, auch in der Wetterau das Ende der revolutionären Bewegung erreicht. In ihrer letzten Ausgabe stellte das Volksblatt resignierend fest: „Die Freiheit des deutschen Volkes war eine schöner Traum“. Die Regierung in Darmstadt beseitigte alle Märzerrungenschaften. Dem Vereinsverbot folgend löste sich der Bürgerverein auf, auch die Turngemeinde beschloss ihre Auflösung. Hoos bewertete die Rolle Friedbergs in den Jahren 1848/49 dahin, dass die Bürger kaum eigene Aktivitäten entfalteten. Mit dem reaktionären Bürgerverein hätten sie eher Sicherheit sowie die Wahrung des eigenen Besitzstandes und des sozialen Status‘ angestrebt und dafür die errungenen Freiheiten preisgegeben. Zu der Frage, ob es in Friedberg zu einer Revolution oder nur zu einem – wie der Chronist Christian Waas formulierte – „tollen Jahr“ gekommen sei, meinte Hoos, es seien zwar Zwischenschritte gegangen worden, von einer revolutionären Änderung der Verhältnisse könne aber nicht gesprochen werden könne. Weder sei eine Abschaffung feudalistischer Strukturen noch eine grundlegende soziale Umwälzung gelungen.

Reinhard Schartl

Vgl. Wetterauer Zeitung 11.4.2019

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