Kreuzer, 175 Jahre Musterschule

175 Jahre Musterschule – ein Stück Friedberger Schulgeschichte

Lothar Kreuzer referiert beim Friedberger Geschichtsverein – Mitgliederehrung

Am 17. Juli feierte die Gemeinsame Musterschule mit einem Schulfest ihr 175-jähriges Bestehen sowie den Bezug des auf dem Platz der alten Turnhalle errichteten Erweiterungsbaus. Publikationen über die lange einzige Grundschule der Stadt fehlen bislang, und so war es der Verdienst des Vorsitzenden des Friedberger Geschichtsvereins, Lothar Kreuzer, mit einem auf umfangreichen Recherchen im Stadtarchiv basierenden Vortrag diese Lücke in der Schulgeschichte der Stadt zu schließen. Unter den Zuhörern im gut gefüllten Bibliothekszentrum Klosterbau waren neben ehemaligen „Musterschülern“ auch die langjährige Rektorin Monika Schäfer-Matthews und die neu ernannte Schulleiterin Anette Schmidt.  Zu Beginn seiner Ausführungen würdigte Kreuzer ausführlich den Mann, der den meisten historisch interessierten Friedbergern als „Vater der Friedberger Geschichtsschreibung“ bekannt ist, Johann Philipp Dieffenbach. Nach ihm ist in Friedberg die gleichnamige Straße und Schule benannt. Der Pfarrerssohn Dieffenbach hat eine bewegte Biografie. So war er Theologiestudent in Gießen, Schulgründer in Krefeld, Prinzenerzieher in Darmstadt, Geschichtsprofessor in Gießen und Redakteur im Intelligenzblatt, bevor er 1818 mit 31 Jahren die Stelle des Rektors der Friedberger Augustinerschule annahm. Er fand 18 Schüler vor, ein marodes Schulgebäude, eine unfähige Schulaufsicht und mangelhafte Lehrpläne: Gott sei es geklagt, wie verkehrt großenteils Unterricht erteilt wird, und wie viele herrliche Stunden die Jugend verliert, während sie hinter dem Latein sitzt, und muß draußen die schöne Sonne auf- und wieder untergehen lassen, ohne sie zu sehen.

Das Gründungsdatum der Musterschule beruht auf einer Zeitungsanzeige vom 9. Juni 1840. Die Annonce kündigte für Montag, den 15.6., das Inkrafttreten einer neuen Schulordnung an. Mit dieser einen Schule für Gesamt-Friedberg wollte Dieffenbach den gesteigerten Bedürfnissen der Zeit, den höheren Forderungen der Religion und der geistigen Natur des Menschen Rechnung tragen. Nur Lehrer, die ihr Fach beherrschen und schon praktische Erfahrungen gesammelt haben, wollte er einsetzen. Unterricht sollte immer alle miteinbeziehen und konkret sein. In Disziplinfragen ging ihm Liebe vor Strafe. Musterlektionen der Seminaristen wurden im Stundenplan fest eingeplant, Kollegen besuchten sich gegenseitig im Unterricht mit anschließender Besprechung in einer Konferenz. Ab 1848 wurde das Schulturnen obligatorisch. Musik, Theater, im Unterricht erarbeitete Ausstellungen und Schulfeste bildeten in der pädagogischen Arbeit der Musterschule eine feste Konstante.

Auch wenn 1840 als Gründungsdatum gilt, der Musterschul- Plan, „ …über die Organisation des Schulwesens in der Stadt Friedberg“ wurde schon am 26. September 1836 genehmigt und Dieffenbach am 30. Mai 1837 zum Rektor der neu gebildeten Lehranstalt ernannt. 1850 wurde die Augustinerschule als Realschule mit fakultativem Unterricht in den alten Sprachen reaktiviert, bis 1854 agierte Dieffenbach als Rektor für beide Schulen. 1860 starb Philipp Dieffenbach im Amt nach 42 Dienstjahren als Friedberger Schulrektor.

Nach der Eigenständigkeit der Augustinerschule, mit der sie sich bis 1901 den gleichen Standort teilt, wird die Musterschule die Volksschule der Stadt. Belege für die Bezeichnung „Gemeinsame Musterschule“ finden sich laut Kreuzer erst nach 1871.

Mit der Stadterweiterung Friedbergs bis 1914 und der steigenden Bevölkerungszahl wachsen auch die Schülerzahlen der Musterschule exorbitant. 1910 waren 1020, 1940 1150 und 1953 1649 Schüler. Raummangel und Überkapazitäten prägten das Schulleben über Jahrzehnte, zeitweise belegte die Schule 6 verschiedene Gebäude. Erst 1955 gab es durch den Bezug der Adolf-Reichwein-Schule in der Saarstraße Entlastung. Ab 1973 ist die Musterschule reine Grundschule, an der heute 220 Schüler aus 30 Nationalitäten von 15 Pädagogen unterrichtet werden. Lang anhaltender Applaus belohnte den Referenten für seinen mit zahlreichen Abbildungen angereicherten Vortrag, der den Zuhörern nicht nur ein spannendes Stück Schul-, sondern auch Stadtgeschichte vermittelt hatte.

Lutz Schneider

Mitgliederehrung

Lothar Kreuzer, Annemarie Jordis, Dr Hans -Günter Mühling und Rolf-Dieter Köbel

Kaum Zeit zur Erholung blieb dem Referenten Lothar Kreuzer, bevor er in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Friedberger Geschichtsvereins die jährliche Mitgliederehrung vornahm. Leider waren, wohl auch dem schlechten Wetter geschuldet, nur wenige der zu Ehrenden persönlich anwesend. Der stellvertretende Geschichtsvereinsvorsitzende Johannes Kögler würdigte die Verdienste Kreuzers anlässlich seiner 25jährigen Mitgliedschaft. Neben Kreuzer konnten auch Annemarie Jordis, Rolf-Dieter Köbel und Dr. Hans-Günter Mühling ihre Urkunden für 40jährige Mitgliedschaft in Empfang nehmen.

Vgl. Wetterauer Zeitung vom 5.12.2015

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