Prof. Heinz-Günther Schmitz: Was die Wetterauer Ortsnamen über ihre Herkunft verraten

Wetterauer Zeitung , 23.03. 2010

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Prof. Heinz-Günther Schmitz referiert vor dem Geschichtsverein – Von der Wetteraiba, der Siedlung bei den Häusern und einem Hohlweg bei Ockstadt

von Hans Wolf

 

Prof. Dr. Heinz-Günther Schmitz referierte beim Friedberger Geschichtsverein

(hw) Dem Kieler Germanisten Prof. Dr. Heinz-Günther Schmitz war es gelungen, alleine durch die Ankündigung seines Vortrages über die Ortsnamen der Wetterau beim Friedberger Geschichtsverein das Bibliothekszentrum bis auf den letzten Platz zu füllen, und die Erwartungen der Zuhörer wurden nicht enttäuscht, gab Schmitz doch einen fundierten Überblick über die Ortsnamenforschung speziell in unserem heimischen Raum. Namen sind Wörter, deren Bedeutung im Laufe der Geschichte verloren ging, so dass die Namen als Erkennungszeichen für Plätze oder Personen zwar noch funktionieren, ihre Bedeutung aber meist unverständlich ist. Ziel der Sprachforschung ist es dann, von der ältesten überlieferten Namensform aus in der althochdeutschen oder mittelhochdeutschen Sprache nach der ursprünglichen Bedeutung zu suchen. Manchmal sind Namen aber noch älter. Unsere Gewässernamen z.B. reichen in vorgermanische Zeit zurück. Von den Völkern, die diese Namen gebrauchten, und ihrer Sprache ist nichts mehr da außer alleine diese Flussnamen, z.B Nidda.

Wie alles in der älteren Germanistik geht auch die Ortsnamenforschung auf Jakob Grimm zurück, der mit seiner Arbeit über hessische Ortsnamen 1839 den Grundstein legte, auf dem der Wetterauer Germanist Karl Weigand aufbauen konnte. Auf Wilhelm Arnold geht die weit verbreitete Lehre zurück, dass Ortsnamentypen germanischen Stämmen zuzuordnen seien, die -heim Namen den Franken, die -ingen Namen den Schwaben. Schmitz spricht stattdessen lieber von Kultur- und Verkehrsgemeinschaften, die namensprägend wirken. So gibt es die -heim Namen auch in Bayern, nach dem dortigen Lautstand auf -ham, was für eine Frankisierung Baierns als Bestandteil des fränkischen Reiches spricht, nicht aber auf fränkische Besiedlung zurückzuführen ist. Für unsere Region immer noch grundlegend ist die Arbeit von Wilhelm Braun über die Ortsnamen des Kreises Friedberg in den Friedberger Geschichtsblättern Band 16 von 1949. Der Name Wetterau lässt sich auf die karolingische Gaubezeichnung wettereiba zurückführen, wobei das Grundwort eiba so viel wie Region/Gau bedeutet und das Bestimmungswort einen jener vorgermanischen Gewässernamen ausmacht. Aus dem eiba wurde dann in der Sprachgeschichte ouwe, unser heutiges Wort Aue. Bei den Ersterwähnungen stößt der Sprachwissenschaftler in unserem Gebiet auf das Problem, dass die Namen in den karolingischen Schenkungsurkunden des 8. und 9. Jahrhunderts nur in Kopien der mittelhochdeutschen Klosterüberlieferung von Lorsch und Fulda greifbar sind, so dass die althochdeutsche Wortbedeutung nur noch schwer erschlossen werden kann.

Bei der Bildungsweise der Ortsnamenwörter unterscheidet Schmitz wie bei der Wortbildung generell einfache Wörter von Zusammensetzungen und Ableitungen. Als Beispiel für einen einfachen Ortsnamen sei Hausen genannt, eine Wortform im Dativ Plural husom, husen, was bei den Häusern bedeutet, vgl. auch München bei den Mönchen. Ein zusammengesetzter Ortsname ist Düdelsheim. Dudelisheim ist die Siedlung eines Thiudil, wobei das westgermanische thiu oder thio dieselbe Wortwurzel ist wie im Wort deutch (thiodisk). Deutsch bedeutet Volk. Auch Nauheim ist eine Wortzusammensetzung, diesmal aus -heim mit einem Adjektiv, wobei nau die Mundartversion von neu ist, was auch bei dem Personennamen Neumann/Naumann vorkommt. Eine Wortableitung liegt im Fall Büdingen vor. Basis der Ableitung ist der Personennamen Boti. Die Ableitung -ingen bedeutet hier eine Zugehörigkeit, bei den Leuten des Boti. Diese -ingen Form ist die einzige im Wetteraukreis, ähnlich alleinstehend wie Usingen im Taunus und hat nichts mit den zur allemannischen Verkehrsgemeinschaft gehörenden -ingen Namen in Süddeutschalnd zu tun, die auch alle viel älter sind als das erst im 12. Jh. entstandene Büdingen.

In der zeitlichen Abfolge der Namengebung stehen die auf vorgermanische Gewässernamen zurückgehenden Ortsnamen am Anfang, z.B. Nidda, was fließendes Wasser bedeutet. Bereits in der Römerzeit trug die Siedlung bei Heddernheim am Unterlauf der Nidda diesen Namen: Nida. Auch Ulfa kommt von einem solchen Gewässernamen auf -affa. Das -lar in Hollar, der Wüstung bei Ockstadt, könnte auf ein germanisches Wort für Gatter zurückgehen, der erste Wortteil so viel wie Hohlweg bedeuten. In fränkischer Zeit kommen dann die vielen -heim Namen, die Namen auf -dorf (Konradsdorf) und -bach (Butzbach), -weiler (Vilbel, original Felwila, was so viel wie Gebäude bei den Weiden bedeutet). Die Namen auf -rod und -hain stammen aus der Zeit des Landausbaus durch Rodungen im 11.-14. Jahrhundert. Hierher gehören auch -hagen und -berg Namen , so auch Friedberg, was der Schutz gewährende Berg bedeutet. Frühneuzeitlich sind die Namen auf -hof, -dorf, -tal. -hütte und -mühle weisen bereits auf frühe Industrieansiedlungen hin. Der interessante Vortrag bewies, wie komplex das Forschungsgebiet der Ortsnamenkunde ist, aber auch wie viele Erkenntnisse über die Orts- und Siedlungsgeschichte sich aus der Namenskunde gewinnen lassen.

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