Lothar Kreuzer: Leben und Werk von Bischof Albert Stohr

Vortrag

»Lothar Kreuzer: Leben und Werk von Bischof Albert Stohr«

Referent/in: Lothar Kreuzer
Datum: 18.11.2010
Uhrzeit: Uhr

„Hirte in schwieriger Zeit“
Lothar Kreuzer referierte über Leben und Werk von Bischof Albert Stohr

Im gut besuchten Albert-Stohr-Haus hielt der Vorsitzende des Friedberger Geschichtsvereins, Lothar Kreuzer, unter dem Titel -„Albert Stohr – ein Friedberger in schwerer Zeit auf dem Bischofsstuhl in Mainz“- einen spannenden und informativen Vortrag über den Namenspatron des Hauses.
Seine Jugend in Friedberg, die politische Betätigung, der Kampf gegen den Nationalsozialismus und der Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg bildeten die Schwerpunkte des Vortrags, in dem Kreuzer, unterstützt durch zahlreiche Fotos, das Leben des bedeutenden Friedbergers nachzuzeichnen versuchte.
Stohr, als Sohn eines Eisenbahners am 13. November 1890 in der (Ober)-Mörler Straße 20 geboren, verbrachte seine Kindheit und Jugend in Friedberg. 1909 einer von 13 Abiturienten der Augustinerschule sah Stohr in dem Gemeindepfarrer Dr. Praxmarer, der auch am großherzoglichen Lehrerseminar und an der Augustinerschule unterrichtete, das katholische Ideal verwirklicht. Seine weitere berufliche Entwicklung vollzog sich in einem rasanten Tempo. Nach vier Jahren am Priesterseminar in Mainz wurde er am 19. Oktober 1913 zum Priester geweiht. Danach folgten Positionen in der Ausbildung und der Gemeindearbeit, bevor er 1921 nach nur drei Semestern Studium an der Universität Freiburg mit einer Arbeit über die Trinitätslehre des Heiligen Bonaventura promovierte. Nach Pfarrstellen in Rheinhessen habilitierte er sich 1924 ebenfalls in Freiburg und wurde 1926 mit knapp 36 Jahren Ordinarius für Dogmatik. Schon während seiner Studienzeit war er Mitglied der studentischen Verbindung KV Hohenstaufen und trat in Kontakt zu den katholischen Verbänden. Neben seiner Rolle als Hochschullehrer wird Stohr eine der Hauptfiguren des parteipolitisch organisierten Katholizismus. Stohr gehörte für das Zentrum dem 5. und 6. Hessischen Landtag des Volksstaates Hessen an, der zwischen Dezember 1931 und März 1933 tagte.
An seiner Gegnerschaft zu den Nationalsozialisten konnte es schon früh keinen Zweifel geben. Am Vorabend der Reichspräsidentenwahl zwischen Hindenburg und Hitler am 9. April 1932 legte Stohr in der Bistumszeitung „Mainzer Journal“ unter den Überschriften „Wollt ihr den Hitler?“ und „Warum wir den Hitler nicht wollen“ seinen Standpunkt dar. Christentum und Nationalsozialismus verhielten sich nach Stohr wie Feuer und Wasser zueinander und daher dürften Katholiken und bewusste Evangelische Hitler nicht wählen. Zwei Jahre nach Hitlers Machtergreifung wurde Stohr am 10. Juni 1935 zum Mainzer Bischof gewählt, am 17. Juli von Papst Pius XI. bestätigt und am 24. August zum 101. Bischof von Mainz geweiht. Mit 44 Jahren war er Deutschlands jüngster Bischof. Stohr wollte Frieden zwischen Kirche und Staat, allerdings nicht Frieden um jeden Preis. Der Frontverlauf zwischen katholischer Kirche und dem nationalsozialistischen Regime blieb bestehen. Das Episkopat und der Vatikan kamen mit Protesten und Eingaben wegen illegaler Aktionen und anderer Verstöße gegen das am 20. Juli 1933 zwischen dem Vatikan und dem Deutschen Reich geschlossenen Reichskonkordat kaum nach und die päpstliche Enzyklika „Mit brennender Sorge“ vom 21. März 1937 verhärtete die Fronten weiter. Mit Prozessen gegen die Kirche wegen Devisenvergehen und gegen Ordensleute wegen Sittlichkeitsverbrechen verschärfte das Regime die Konfrontation. Stohr machte im Koblenzer Prozess von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, seine Rolle, und wie er intern mit den Vorwürfen umging, bleibt unklar. Hier könnte sein Nachlass Aufschluss geben, der allerdings noch der Sperrfrist unterliegt, wie Kreuzer anmerkte. Scharf wandte sich Stohr gegen die 1941 angelaufene Euthanasie und intervenierte im August 1943 bei Innenminister Frick zugunsten der Juden. Nach dem Krieg spricht sich Stohr gegen ein kollektives Schuldbekenntnis der Deutschen aus, ist gegen eine zu weit gehende Entnazifizierung, ist gegen Demontage und setzt sich für die baldige Freilassung der Kriegsgefangenen ein. Ein Meilenstein für den Neuanfang war der Katholikentag im September 1948 in Mainz, den über 180.000 Menschen besuchten und bei dem auch Stohr eine große Rolle spielte. Am Schluss seines Vortrags ging Kreuzer noch kurz auf die Themen Diakonie und Versorgung, Liturgie und Ökumene ein. Stohr gehörte zu den geistigen Vorbereitern des 2. Vatikanischen Konzils, an dem er aber nicht mehr teilnehmen konnte. Nach Kreuzer lebte und verkündete Stohr, was Thema seiner letzten geplanten Sonntagspredigt am 4. Juni 1961 sein sollte: Deus caritas est – Gott ist die Liebe. Halten konnte Stohr sie nicht mehr, er starb einen Tag davor. Die katholische Kirchengemeinde Friedberg habe daher völlig zu recht ihr Gemeindehaus nach einem großen katholischen Kirchenmann benannt, so Kreuzer. Lang anhaltender Beifall belohnte den Referenten für seinen eindrucksvollen Vortrag.
Lutz Schneider

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