Hans Wolf: -Wenn sie Verse machen, brennt der Braten an-

Wetterauer Zeitung, 09.01.2011

»Hans Wolf: -Wenn sie Verse machen, brennt der Braten an-«

Geschichtsverein und Literaturprojekt der Evangelischen Kirchengemeinde auf literarischer Spurensuche am Rhein

von Hans Wolf

 

(hw) Auf literarische Spurensuche in Mainz, in Wiesbaden-Biebrich und im Rheingau begaben sich der Friedberger Geschichtsverein und das Literaturprojekt der Ev. Kirchengemeinde unter Leitung von Hans und Margarete Wolf. Im durch die Belagerung während der Französischen Revolutionskriege und durch den 2. Weltkrieg zerbombten Mainz ist es schwer, authentische Adressen zu finden, aber Margarete Wolf hatte einige interessante Positionen in der Altstadt ausgewählt und aussagekräftige Texte gefunden, die die jeweiligen Persönlichkeiten und ihr Umfeld treffend charakterisierten.

Die erste Erinnerung galt der grande dame der deutchen Frauenliteratur, Sophie La Roche, die Mitte des 18. Jahrhunderts im Stadionschen Hof an der Großen Bleiche wohnte. Sie ist die Großmutter von Clemens und Bettina von Brentano und ihr Zitat „erst mit der Feder bin ich was ich bin“ beweist ihre schriftstellerische Leidenschaft, die sich in dem großen Roman „Die Geschichte des Fräuleins von Sternheim niederschlug. In der Neuen Universitätsstraße wohnte der Weltreisende und politisch engagierte Mainzer Professor Georg Forster, der von den Ideen der Französischen Revolution begeistert den Mainzer Jakobinerclub leitete. Seine Frau Therese Heyne führte einen Salon, in dem viele Größen der Zeit zu Gast waren, und schrieb selbst 60 Romane. Über die Briefe ihrer Freundin Caroline Böhmer, die später August Wilhelm Schlegel und danach Schelling heiratete, sind wir über die Ereignisse im Hause Forster und die Zeit der Belagerung von Mainz durch die Koalitionsarmee gut informiert. Am Kirschgarten steht das Haus, in dem Kathinka Zitz im 19. Jahrhundert wohnte und ihren Lebensunterhalt durch Schreiben verdiente, was in der kleinbürgerlichen Mainzer Altstadt nur Spott und Hähme erzeugen konnte: „wenn sie Verse macht, brennt der Braten an“. Und dann zitierte Margarete Wolf die großartige Szene aus dem „Siebten Kreuz“ von Anna Seghers, der geborenen Mainzerin, in der sich Georg Heisler auf seiner Flucht aus dem KZ im Mainzer Dom verbirgt. Den Grabstein Erzbischof Siegfrieds von Eppstein, der zwei Könige krönte und der in dem Text eine Rolle spielt, konnte Hans Wolf im Dom zeigen und erläutern. Die Stadt Mainz tat sich schwer mit Anna Seghers, die nach dem Krieg aus der Emigration in die DDR zurückgekehrt war. Erst zwei Jahre vor ihrem Tod erhielt sie 1981 die Ehrenbürgerschaft. Elisabeth Langgässer beschwor nach den Kriegszerstörungen 1946 den Dom als das Bleibende in der Vergänglichkeit.

Jenseits des Rheins im Schloss zu Biebrich erlebten die Teilnehmer eine ganz andere Welt. Das Barockgebäude mit seiner klassizistischen Ausstattung in den Arkaden und der großartigem Rotunde strahlt Pracht und Harmonie aus, die Blicke schweifen in das Grün des englischen Landschaftsparks und auf den Rhein. Hier gab der Herzog von Nassau einen Empfang anlässlich von Goethes 65. Geburtstag, den er während seines Kuraufenthaltes in Wiesbaden hier beging. Heute waren die Vorbereitungen zu Ministerpräsident Kochs Abschied überall zu sehen. Und auf Goethes Spuren folgte Margarete Wolf weiter zur Goethepyramide oberhalb von Frauenstein, wo der alte Herr zu Fall kam, als er einem jungen Mädchen nacheilte, die vor seinen ständigen Belehrungen wegen ihrer Malversuche vor ihm geflohen war. Die schmale hohe Pyramide symbolisiert Goethes Bemühen, wie er selbst sagte, seine eigenen Fähigkeiten möglichst weit zu vervollkommnen. Im Brentanohaus in Winkel wurde an den schwierigen Gast mit deutlichen Starallüren erinnert zu einer Zeit „als seine Vergötterung schon angefangen hatte“. Er schaufelte seinen Teller voll, rührte aber kaum etwas an und trank ungeheuer viel Rheinwein des Jahrgangs 1811. Vor allem lebt dieses Haus aber von der Erinnerung an die Rheinromantik, als die weit verzweigte Familie v. Brentano hier in den Sommermonaten ein großes Haus führte und vor allem die quirlige Bettina viel Wirbel machte. Hier wurde musiziert, gedichtet, vorgetragen und unendlich frei abseits aller Konvention gelebt. Bettina kehrte einmal nach einer langen Wanderung nach Mitternacht nach Hause zurück, nahm ein Vollbad und trank noch in der Wanne eine ganze Flasche Wein. Tragisch berührt wurde diese romantische Gesellschaft allerdings durch den Selbstmord der Karoline von Günderrode, den die unglücklich Liebende in Winkel am Rheinufer beging.
Durch die Einkehr in einer Weinschänke eingestimmt, konnte die Reisegruppe die berühmte „Weinpredigt“ aus Goethes Altersprosa “Das St. Rochusfest in Bingen“ gut nachempfinden, die Hans Wolf auf der Rückfahrt vorlas. Das Ergebnis war herzlicher Beifall und aufrichtiger Dank für diese sehr arbeitsintensiv vorbereitete literarische Rheinreise.

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