Hans Wolf : Frankfurter Stadtteile, die Geschichte erzählen

Wetterauer Zeitung, 30.06.2010

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Frankfurter Stadtteile, die Geschichte erzählen

von Lothar Kreuzer

 

Entlang der Trasse der alten Pferdebahn nach Eschersheim begann der Friedberger Geschichtsverein unter Führung von Hans Wolf im neuen Reisebus seine Halbtagesfahrt durch den Norden und Westen Frankfurts, der 1910 bzw. 1928 eingemeindet wurde. Die im Mittelalter entstandenen Dörfer spiegeln die Vielfalt der Herrschaften wie etwa Hanau, das Erzbistum Mainz oder der Familienzweig Solms – Rödelheim- Assenheim sowie die unterschiedlichen konfessionellen Prägungen wider. Niederursel war sogar Diener zweier Herren, der Frankfurter und der Solmser, und hatte daher zwei Rathäuser.

Für die Einweihung von Eschersheims Barockkirche St. Emmaus, heute umzingelt von Straßen-und Schienentrassen, ist eine Zugfolge überliefert, in der nach Geschlechtern getrennt die Ledigen vorneweg marschierten. Auf Heddernheimer Gebiet lag der römische Verwaltungsort der civitas Taunensium, Vorlage für den NamenRömerstadt. Bekannt ist Heddernheim für seine ehemals 20 Tausend Arbeitsplätze in den Kupferwerken. Den Mutterwitz der Fastnachtshochburg zeigt das Bonmot: Äppelwoi ist nicht sauer – kein Äppelwoi ist sauer.

Niederursel war Heimat der Kau- und Schnupftabakindustrie mit gut durchlüfteten Fabrikgebäuden. Die Nordweststadt, die Uni- Gebäude am Niederurseler Hang und der jüngste Stadtteil Riedberg sind Zeugen des neuen Frankfurt. Für die Moderne in den 20er Jahren stehen die Siedlungen in Innenstadtnähe, die unter OB Landmann der Baudezernent Ernst May mit seinem Team erstellen ließ, eine Zunahme von 11 % Wohnraum im Stadtgebiet. Bei einer kompetenten Führung durch eines der Siedlungshäuser und bei einem Rundgang wurde deutlich, wie das Wohnen im Einfamilienreihenhaus oder in Wohnblöcken mit dem Konzept von Licht und Luft, von kleinen Wohneinheiten mit genormtem Grundriss , Platz und Zeit sparender Küchenorganisation nach Art des Bauhauses, „durchdacht bis zur Grasnarbe“, farblich innen und außen gut abgestimmt und der Umgebung des Niddatales angepasst den weniger betuchten Großstädtern in Trabantenstädten das Leben angenehm und erschwinglich machte.

In Hausen, kirchlich ursprünglich von Praunheim betreut, entstand das schmucke Pfarrhaus weit vor dem äußerlich weniger attraktiven Kirchenbau. Der Rödelheimer Park war der Landsitz der Bankiersfamilie Brentano, auf dem schon Goethe gern verweilte. Ein Nebengebäude, das schön renovierte Petrihäuschen, kündet von altem Glanz.

Sossenheim ist ein Beispiel für den ärmeren Westen der Stadt. Industrieansiedlung brachte Besserung. Schon 1869 organisierte sich die Arbeiterbewegung in einem der ersten Ortsvereine der SPD. Prägend wurde der Industriestandort Höchst. Im Mittelalter war Höchst Bastion des Erzbistums Mainz,das hier einträglich Mainzoll direkt vor den Toren der Stadt erhob. Ein glanzvolles Bauwerk aus dieser Epoche ist die Justinuskirche, eine romanische Basilika, ergänzt durch einen hohen gotischen Chor. Höchst war noch lange nach der Eingemeindung Kreisstadt für den Main- Taunus. Das Schloss und auch spätere Ansiedlungen wie die palastartige Wohn- und Fabrikanlage des Tabakherstellers Bolongaro mit ihrer Schauseite zum Main sind Zeugnisse der ständigen Rivalität mit Frankfurt. Heute hat man hier Probleme für eine zeitgemäße Nutzung in nicht immer ansehnlicher Umgebung.

Vorbei an Griesheim mit dem ehemaligen Bundesbahnausbesserungswerk waren die Adlerwerke im Gallus die letzte Station. In burgenähnlichen Fabriken hat der Industrielle Kleyer mit einer Fahrradproduktion begonnen, einer Idee, die er aus Amerika mitgebracht hatte. Schreibmaschinen, Motorräder und Kriegsgerät folgten. Zwei der vielen Zwangsarbeiter wurden noch kurz vor Kriegsende erschossen. Seit der Stillegung breiten sich auf dem weitläufigen Gelände verschiedene Dienstleister aus. Am Bürgerhaus Gallus, Schauplatz des Ausschwitz- Prozesses, endete die nunmehr vierte Etappe der Erkundung Frankfurts durch den Geschichtsverein. Mit dem Dank an Herrn Wolf und an den umsichtigen Fahrer für den gelungenen Tag kehrte man in die Wetterau zurück.

Lothar Kreuzer

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