Hans Wolf: Auch Einblick in die -verbotene Stadt-

Wetterauer Zeitung , 24.06.2009

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Viertagefahrt des Geschichtsvereins in die Vogesen und ins Saarland

von Lothar Kreuzer

 

Friedberger Geschichtsverein unter Führung von Hans Wolf

Die Viertagefahrt führte den Friedberger Geschichtsverein unter Führung von Hans Wolf in den Wasgau, das Hanauer Land, die südwestliche Pfalz und das Saarland. Die Gruppe erhielt an mehr als zwanzig Stationen intensiv, aber gut dosiert und abwechslungsreich einen Eindruck von den Schauplätzen wechselvoller historischer Entwicklung im deutsch- französischen Grenzgebiet vom frühen Mittelalter über die französische Revolution bis zur modernen Industriegeschichte. Wenn es sich anbot, wurden Beziehungen zur heimischen Region und zur hessischen Geschichte hergestellt.

Rund um die Garnisonsstadt Pirmasens entstand seit 1741 ein Zentrum der Schuhproduktion. Im Armenhaus der Pfalz war sie ein Nebenerwerb der hessischen Soldaten. Das Deutsche Schuhmuseum in dem kleinen Ort Hauenstein, wo einst 30 Schuhfabriken standen, legt hiervon Zeugnis ab. Neben einer Zeitreise in die Welt der Schuhe mit teilweise exotischen Exemplaren, in die man z.B. nur mit vorher verkrüppelten Füßen passte, wurden alle Facetten der Herstellung und die Entwicklung der Maschinen vorgeführt. Für wenig Lohn, bei großem Lärm, mit Frauenarbeit bei geringer Bezahlung wurden hohe Stückzahlen produziert. Von einstiger Größe kündet nur noch der Spruch am Brunnen in Pirmasens: „Verläßt der Schuh die städtsche Grenz, voll Lob er sei für Pirmasens.“

Wasgau ist die Bezeichnung für die Vogesen nördlich der Sprachgrenze. Das Gebirge ist seit der Stauferzeit übersät mit Burgen von Ministerialen, die sich niederließen zur militärischen Sicherung und Forstwirtschaft. Erklommen wurde Burg Fleckenstein mit den zeittypischen Buckelquadern. Auf einer Seite wurde der Wohnraum aus dem Sandstein herausgeschnitten und nur eine Seite gemauert. Bei der Wanderung zu den Ruinen Wasigenstein versetzte Herr Wolf die Gruppe an den sagenhaften Schauplatz einer Episode aus dem Waltharilied des Ekkehard von St. Gallen von 920, deren Personal und Ortsbeschreibung bemerkenswerter Weise im 13. Jh. im Nibelungenlied wieder vorkommen.

Im Hanauer Land, seit 1480 von den Grafen Hanau- Lichtenberg regiert, ehe sie 1736 von Hessen- Darmstadt beerbt wurden, war im 18. Jh. Ludwig IX. die prägende Figur. Der Soldatennarr drillte in der neu gegründeten Residenz Pirmasens seine Soldaten, auch in einer eigens dafür errichteten Halle mit Kanonenöfen, für die Soldaten alles andere als angenehm, während Landgräfin Caroline das in ihrer Heimat Buxweiler entstandene Schloss bevorzugte. Goethe, den geologische Studien in die Gegend führten, lobte die kleinstädtische Geselligkeit, während die Bezeichnung „Plattelecker“ die Bewohner als abhängige Höflinge beschrieb.

An der Festung Bitsch vorbei, von Vauban unter Ludwig XIV. ausgebaut, ging es ins Saarland. Den hochstehenden Vorfahren der Familie, in die Ministerin von der Leyen eingeheiratet hat, begegnete man in Blieskastel. Kirche und feudale Beamtenhäuser geben einen guten Eindruck vom Übergang des Barock zum Klassizismus. Barock geprägt ist auch die Residenz der Nebenlinie Pfalz- Zweibrücken, ehemals nassauisch, zeitweise in Besitz einer schwedischen Linie, später bayrisch.

In der reformierten Pfalz machte Ludwig XIV. im Rahmen der Reunion Erbansprüche geltend. So wurde Saarlouis eine französische Exklave im Deutschen Reich. Auch unter den Preußen seit 1815 bestimmten Festung und Paradeplatz das Stadtbild. Wechselnde Herrschaften gaben der Stadt unterschiedliche Namen.

Schauplätze großer Saarländer Industriegeschichte wurden in Neunkirchen, Völklingen und Mettlach angesteuert. Unter dem Denkmal des Zechenbesitzers Stumm (1836- 1901) in Neunkirchen las Herr Wolf aus einer Rede anlässlich der Stiftung einer Kirche für seine evangelischen Arbeiter, aus der das Denken eines Firmenpatriarchen deutlich wurde. Aus christlicher Verantwortung und Pflichterfüllung wolle er sich um jeden einzelnen Arbeiter kümmern, sein Verhalten im Privatleben beeinflussen, für das materielle und geistige Wohl sorgen. Er halte nichts von Arbeiterorganisationen und den Verlockungen der Sozialdemokratie. Heutzutage prägen saubere Luft, aber hohe soziale Lasten das Bild der Region seit der Stillegung der Eisenwerke.

Höhepunkt der Reise war die kompetente Führung durch das Weltkulturerbe Röchling- Werke Völklingen. „Wer Völklingen hat, hat die Saar“ war das Motto der Vergangenheit, da seit 1890 dort das größte Eisen- und Stahlwerk Deutschlands stand. Durch die Stahlkrise der siebziger Jahre, das Schichtende der Roheisenproduktion 1986 u.a. reduzierte sich die Belegschaft von 17000 um zwei Drittel. In der „Kathedrale der Arbeit“ wurde bei Lärm, Hitze, giftigen Dämpfen und einer riesigen Menge Sinterstaub malocht. Immer neue Verfahren ließ man sich patentieren, das Werk galt als „verbotene Stadt“, die Arbeiter hatten keinen Einblick in die Gesamtabläufe, um Industriespionage zu verhindern. Entlang eines schrägen Förderbandes mit mehreren Parallelbahnen ging es zu den Hochöfen. Die einzelnen Verfahrensschritte bis hin zum Abstechen des unteren Auslaufs wurden verdeutlicht, im Verlauf der Führung die negativen und guten Seiten des Werkes thematisiert. Dem Weltruf von Villeroy und Boch konnte man auf dem Firmengelände in der ehemaligen Abtei Mettlach nachspüren. Peter Ustinov stellt in einem Film die acht Generationen aus 250 Jahren Firmengeschichte vor, in Stucksälen konnte man die Keramik bewundern.

Neben der Besichtigung des Ursprungs der Grafschaft Saarbrücken im Stift St. Arnual führte ein Stadtrundgang durch den alten Stadtteil St. Johann über die Alte Brücke zum Schlossberg. Vielerorts trifft man auf Werke des Barockbaumeister Stengel. Prunkstück ist die Ludwigskirche, als Predigtkirche mit klassizistischen Elementen erbaut. Ihre Berühmtheit spiegelt sich wieder in der Verwendung als Motiv für Euromünzen.

Andere Stationen wie die schöne oktogonale Kirche von Bischmisheim, das Picknick auf der seit 1870 immer heftig umkämpften Spicherner Höhe, das seit den Römern besiedelte Tholey, der Wallfahrtsort St. Wendel, die Residenz Ottweiler oder das von den Zisterziensern gegründete Otterberg mit seiner prachtvollen romanischen Basilika sowie der imposante Blick hinunter auf die Saarschleife können nur summarisch erwähnt werden. Wer mehr erfahren möchte, kann noch einen der wenigen freien Plätze bei der Wiederholung der Fahrt Ende August buchen. Am Ende dieser Fahrt galt der Dank der hervorragenden Leitung von Herrn Wolf und dem routinierten Fahrer.

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