Michael Bender: Vorschläge zur Nutzung des Kasernengeländes

Wetterauer Zeitung , 28.03.2008

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Kulturhaus, Schule, Museum und FH-Campus

von Lutz Schneider

Michael Benderr

 

Vergangenheit und Zukunft des Kasernengeländes beleuchtet..

Michael Bender referierte beim Geschichtsverein über die bauliche Entwicklung der Friedberger Kaserne im Kontext der südlichen Stadterweiterung

Der aus Friedberg stammende Architekturstudent Michael Bender hat sich in seiner Diplomarbeit an der Bauhaus-Universität Weimar mit der Geschichte und der Zukunft des Friedberger Kasernengeländes beschäftigt. Die Ergebnisse seiner universitären Forschungsarbeit präsentierte er in einem Vortrag beim Friedberger Geschichtsverein im voll besetzten Bibliothekszentrum Klosterbau.

Im ersten Teil des Vortrages widmete er sich ausführlich und sehr sachkundig der Geschichte der Friedberger Kaserne und ihrer Gebäude im 20. Jahrhundert. 1913 kam das III. Bataillon des 5. großherzoglich-hessischen Infanterie-Regiments 168 nach Friedberg und wurde in der ehemaligen von Helmoltschen Hofreite, der so genannten „Alten Bergkaserne“, und dem teilweise leer stehenden alten Bahnhof untergebracht, da die neue Kaserne auf dem Wartberg noch nicht bezugsfertig war. Im Herbst 1914 sollte das vier Hektar große Kasernengelände fertig bebaut sein. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges fehlten von den um einen zentralen Hof gruppierten Gebäuden jedoch noch die Pferdeställe, außerdem waren viele Gebäude noch unverputzt. Das III. Bataillon befand sich bereits seit August 1914 im Kriegseinsatz und so diente die im Folgenden so genannte „Neue Bergkaserne“ von 1914 bis 1918 als Gefangenenlager für französische, englische und russische Offiziere.

Da das Kasernengelände nach den Bestimmungen des Versailler Vertrages im entmilitarisierten Bereich lag, nutzte statt der erhofften Soldaten die Hessische Schutzpolizei zwischen 1921 und 1931 die Kaserne. Nach deren Abzug mietete die Stadt diverse Gebäude in der Kaserne, u. a. für das Polytechnikum (heute Fachhochschule Gießen-Friedberg), an. Nach 1933 folgten dann verschiedene Gliederungen der NSDAP, darunter die HJ und die SA, ehe 1937 das I. Bataillon des Infanterie-Regiments 36 in die „Wartturmkaserne“ einrückte. Zwischen 1937 und 1938 entstanden am Wartberg im Zuge des Aufrüstungsprogramms des Dritten Reiches umfangreiche Neubauten, die ebenfalls überwiegend um zentrale Höfe gruppiert wurden. Das militärisch genutzte Gelände wuchs auf rund 17 Hektar an.

Ab 1945 nutzten die Amerikaner die Kaserne. Sie beschlagnahmten 1951 die südlich und östlich angrenzenden Flächen, so dass sich das Kasernengelände auf ca. 74 Hektar vergrößerte. Hinzu kamen etwa vier Hektar für eine nördlich an die Kaserne anschließende Wohnsiedlung, die „McArthur Place Familiy Housing Area“. Die Zeilenbauweise prägte die zu Beginn der 1950er Jahre realisierten Neubauten im südwestlichen Bereich der 1953 in „Ray Barracks“ umbenannten Kaserne, in denen zwischen 1958 und 1960 auch Elvis Presley seinen Wehrdienst ableistete. Einen zweiten Bauboom gab es in den 1980er Jahren, als das Gelände weiter verdichtet wurde und u. a. neue Mannschaftsgebäude im Zentrum der Kaserne entstanden. Damals erfolgte im Südosten auch der Ausbau des Technischen Bereiches.

Seit dem endgültigen Abzug der Amerikaner im September 2007 sieht sich die Stadt Friedberg mit der Aufgabe konfrontiert, knapp 80 Hektar Gelände planerisch einer neuen Nutzung zuzuführen. Zurzeit verwaltet die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) die im Januar 2008 von den Amerikanern an die Bundesrepublik Deutschland zurückgegeben Ray Barracks.

Anhand zahlreicher Pläne und Fotos von seinen Modellen skizzierte Bender, wie er sich das neue „Stadtquartier Am Wartberg“ vorstellen könnte und ging näher auf dessen Aussehen und Nutzung ein.

Unter Denkmalschutz möchte Bender Teile der Kasernenbauten aus den 1910er, 1930er, 1950er und 1980er Jahren gestellt sehen, wodurch jede bedeutende Phase der Kasernenerweiterung baulich sichtbar erhalten bliebe. Aus der amerikanischen Wohnsiedlung sieht er in erster Linie die Offizierwohnhäuser als erhaltenswert an.

Ankerbetrieb des neuen Stadtquartiers soll langfristig die Fachhochschule Gießen-Friedberg werden, die sich mit ihrem Wartberg-Campus in unmittelbarer Nachbarschaft zum Schulzentrum an der Friedensstraße ansiedelt. Hier können Synergieeffekte beispielsweise mit der Johann-Philipp-Reis-Schule bezüglich der Ausbildungsschwerpunkte Maschinenbau und Elektrotechnik entstehen. Ansonsten weist Bender für den Wartberg Wohngebiete, Mischgebiete, Gewerbegebiete, Gemeinbedarfsflächen und Grünflächen aus.

Verkehrstechnisch soll es neben den beiden das Kasernengelände tangierenden Straßen im Westen (Frankfurter Straße) und Osten (Görbelheimer Hohl) auf dem Areal nur eine durchgängige Verbindung in Nord-Süd-Richtung geben. Hinzu kommen zwei Hauptachsen in Ost-West-Richtung, die u. a. eine Verbindung zwischen Fauerbach und dem Gewerbegebiet West herstellen. Fast alle anderen Straßen sind als verkehrsberuhigte Bereiche in Form von Sackgassen gestaltet. Kreisverkehre sollen Ampeln überflüssig machen, neue Bushaltestellen das Gebiet an den öffentlichen Personennahverkehr anschließen und der Bahnhaltepunkt Friedberg Süd an einen attraktiveren Standort im Stadtquartier verlegt werden. Ferner ist ein großzügiger Ausbau des Rad- und Fußwegenetzes vorgesehen.

Für die Gemeinbedarfsflächen sieht Bender u. a. folgende Einrichtungen vor: Ein Ehrenmal für gefallene Soldaten, die in der Kaserne gedient haben, eine Kulturbühne für Freiluftveranstaltungen, ein Kulturhaus als Ersatz für die Stadthalle, eine Schule, diverse Kinder- und Jugendeinrichtungen wie Kinderkrippe, Kindertagesstätte, Jugendhaus sowie Betreuungs- und Beratungsstellen, eine Jugendherberge sowie ein Museum mit Studienzentrum, das sich mit dem Einfluss der Amerikaner auf die deutsche Kultur in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschäftigt.

Die beiden im Westen und Osten des neuen Stadtquartiers gelegenen Parks sollen durch einen Grünzug miteinander verbunden werden, in dem der östliche Abschnitt als Streuobstwiese und der westliche als Wingert gestaltet sind. Durch die Anlage des Wingerts wird der bis ins 17. Jahrhundert an gleicher Stelle vorhandene Weinbau wiederbelebt. Bis zu 2500 Menschen könnten sich nach Berechnungen von Bender in den nächsten beiden Jahrzehnten in den ca. 1000 Wohneinheiten des neuen Quartiers heimisch fühlen.

In der sich anschließenden Diskussion wurde auch der in der Presse bereits diskutierte künstliche See mit dem angrenzenden Naherholungsgebiet ins Spiel gebracht. Diesen Überlegungen erteilte Bender eine Absage. Zwar seien in dem von ihm konzipierten Viertel ebenfalls Wasserflächen beispielsweise im Bereich des Wingerts sowie in den Wohnhöfen vorgesehen, einen See aber auf dem höchsten Punkt der Gemarkung Friedbergs anzulegen sei schon aus topografischen Gründen abwegig.

Zum Abschluss dankte der Geschichtsvereinsvorsitzende Hans Wolf Bender für seine instruktiven Ausführungen. Die Diskussion um die künftige Nutzung des Friedberger Kasernengeländes ist damit um eine weitere interessante Variante erweitert worden. Weitere Informationen zur Diplomarbeit von Michael Bender finden sich im Internet unter www.wartberg-friedberg.de.

Lutz Schneider

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