Hans Wolf: Viertagefahrt – Im Land der Sorben und -Umgebindehäuser-

Wetterauer Zeitung, 10.06.2008

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Viertagefahrt des Friedberger Geschichtsvereins in die Oberlausitz und nach Niederschlesien – Viele Sehenswürdigkeiten

von Siegfried Biernoth

Viertagefahrt in die Oberlausitz und nach Niederschlesienn

 

(sb) Sie werden noch lange nachwirken, die Erfahrungen der Teilnehmer der diesjährigen Viertagefahrt des Friedberger Geschichtsvereins in die Oberlausitz und nach Niederschlesien.

Fachkundig hatte der Vorsitzende Hans Wolf zu Beginn in die wechselvolle Geschichte der Landschaft eingeführt, insbesondere vom Oberlausitzer Sechsstädtebund und dem sogenannten „Pönfall“ , einer Strafaktion Karls V. gegen den Bund, der ihm im Schmalkaldischen Krieg seine Hilfe versagt hatte und vom Schicksal der hier ansässigen Sorben, die im Dritten Reich als Slawen ihrer kulturellen Identität beraubt wurden, in der späteren DDR jedoch eine Art Autonomie erhielten, die ihnen erlaubte, ihr Brauchtum und ihre Sprache wieder zu pflegen.

Einen ersten Höhepunkt der Fahrt bildete der Besuch der Görlitzer Altstadt. Die zu Beginn des 13.Jahrhunderts gegründete Stadt, deren Blütezeit in das 15./16.Jahrhundert fällt, blieb bei Kriegsende nahezu unversehrt und die Spuren des Verfalls, die vierzig Jahre sozialistische Herrschaft hinterlassen hatten, konnten zu einem großen Teil beseitigt werden, so dass die Stadt sich mit Altem und Neuem Rathaus, mit der eindrucksvollen gotischen Kirche St.Peter und Paul, den Renaissancehäusern am Untermarkt, Biblischem Haus, dem Schönhof und den so abwechslungsreich gegliederten Straßenfluchten aus der Gründerzeit wieder in alter Schönheit präsentieren kann.

Literarische Akzente setzte Wolf mit dem Besuch des Lessingmuseums in Kamenz, der Geburtsstadt des für Toleranz und Freiheit kämpfenden Aufklärers, am Denkmal Jakob Böhmes, des Görlitzer Schuhmachers und Mystikers, und im Haus Wiesenstein in Agnetendorf, von 1901 bis 1946 Wohnsitz des schlesischen Dichters und Nobelpreisträgers Gerhart Hauptmann.

Religiöse Themen bestimmten den Besuch am Heiligen Grab in Görlitz, einer Nachbildung der heiligen Stätten in Jerusalem, in der Zittauer Kreuzkirche, wo das berühmte Fastentuch aufbewahrt wird, sowie in Herrnhut, der 1722 auf dem Besitz des Grafen von Zinzendorf gegründeten Stammsiedlung der Herrnhuter Brüdergemeine. Ein Aufenthalt im Betsaal, im Vogtshof mit dem Losungszimmer und ein Gang über den schmucklosen Herrnhuter Gottesacker vermittelten einen Eindruck vom Leben und der Frömmigkeit dieser weit verbreiteten christlichen Gemeinschaft.

In der Pfefferkuchenstadt Pulsnitz und in Obercunnersdorf kam die Reisegruppe mit Oberlausitzer Brauchtum und Architektur in Berührung. Die „Umgebindehäuser“ verbinden auf geniale Weise Fachwerk- und Blockbauweise miteinander.

Auf der Fahrt durch das Riesengebirge bot sich ein freier Ausblick auf die 1603m hohe Schneekoppe. Im Touristenort Krummhübel am Fuß der Schneekoppe wurde mit Unterstützung König Friedrich Wilhelms IV. Mitte des 19.Jahrhunderts eine im norwegischen Wang abgebrochene Stabkirche wieder aufgebaut und ist heute Ziel großer Touristenströme.

Ein eindrucksvolles Erlebnis bot den Teilnehmern ein Besuch auf dem Gut der Familie v.Moltke in Kreisau. Hier traf sich auf dem Berghof während der Zeit des Nationalsozialismus dreimal der „Kreisauer Kreis“, eine Vereinigung von Widerständlern um Helmuth James Graf v.Moltke, die Pläne für eine politisch-gesellschaftliche Neugestaltung Deutschlands nach dem erwarteten Zusammenbruch des Hitlerregimes erarbeiteten. Nachdem sich der Kreis schon aufgelöst hatte, wurden die Nazis noch auf ihn aufmerksam, Helmuth James v.Moltke wurde verhaftet, nach dem Attentat auf Hitler vor Gericht gestellt und zum Tod verurteilt. Heute dient das Gut der deutsch-polnischen Jugendbegegnung.

In Bautzen hatte das Ministeriums für Staatssicherheit ein ehemaliges sowjetisches Untersuchungsgefängnis zu einem hermetisch gegen die Umwelt abgesperrten politischen Kerker umgebaut, in dem zwischen 1956 und 1989 ca. 2700 sogenannte „Staatsfeinde“ unter menschenunwürdigen Bedingungen, oft in Einzelhaft, eingesperrt waren. Unter ihnen prominente Regimekritiker wie Bahro, aber auch zahllose anonym gebliebene Ausreisewillige, Fluchthelfer, Spione. Ein Student gab den Besuchern eine eindrückliche Darstellung vom täglichen Leben der Häftlinge, von ihren Entbehrungen, Ängsten und Qualen, ihren verzweifelten Versuchen, an der Solidarität untereinander festzuhalten und sich einen Rest menschlicher Würde zu bewahren. Die beklemmende Atmosphäre, die der Ort ausgestrahlt hatte, wich auf der Rückfahrt nur allmählich den freundlicheren Bildern und Erinnerungen an die erlebnisreichen Tage dieser Fahrt in die Oberlausitz und nach Niederschlesien, für die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Hans Wolf ihren Dank aussprachen.

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