Vortrag Frankfurter Waldstadion

Wetterauer Zeitung, 21.04.2005

»Die schönste deutsche Sportanlage«

Dr. Thomas Bauer sprach im Bibliothekszentrum über die wechselvolle Geschichte des Frankfurter Waldstadions

von Lutz Schneider

Friedberg. Wenn heute jugendliche Fans zu den Heimspielen der Frankfurter Eintracht oder der Frankfurt Galaxy in die neue »Commerzbank-Arena« pilgern, fehlt ihnen sicherlich das Bewusstsein darüber, welche historischen und sportlichen Ereignisse mit dem Namen »Waldstadion« verbunden waren. Der Frankfurter Historiker Dr. Thomas Bauer erinnerte in seinem Vortrag vor dem Friedberger Geschichtsverein im Bibliothekszentrum Klosterbau an die wechselhafte Geschichte des Waldstadions von 1925 bis 2005.
Das Stadion war von Anfang an mehr als eine reine Fußballarena gewesen, entstanden doch bis 1928 im Frankfurter Stadtwald neben dem Fußballstadion noch die Radrennbahn, das Schwimmbad, die Sporthalle, Tennisplätze und ein Waldtheater. Einzigartig am Frankfurter Konzept war auch der Brückenschlag zwischen modernem Sport und altgriechischer Kultur. So war der Mittelbau des Tribünengebäudes einem antiken Theater nachgebildet. Erstmals ausverkauft war das neue Stadion am 7. Juni 1925, als beim Endspiel um die Deutsche Meisterschaft der FSV Frankfurt dem Titelverteidiger 1. FC Nürnberg mit 0:1 unterlag. Nur sieben Wochen später kamen über 100 000 Besucher zur I. Internationalen Arbeiter-Olympiade nach Frankfurt, einer Gegen-Olympiade, die ganz im Zeichen der Völkerfreundschaft stehen sollte. Im Radstadion flogen die Fäuste am 8. Mai 1927. Max Schmeling besiegte den dänischen Schwergewichtsmeister Robert Larsen über zehn Runden nach Punkten.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde das Stadion auch für Kundgebungen, Aufmärsche und Versammlungen freigegeben. Zuerst nutzte die Schutzstaffel (SS) die neue Möglichkeit, indem sie im Juni 1933 ein überregionales SS-Treffen auf der Hauptkampfbahn organisierte.
Den Frankfurter Oberbürgermeister Friedrich Krebs störte der griechische Name Stadion, und nach einem Gutachten des deutschen Sprachvereins wurde das Stadion im Januar 1935 in »Sportfeld Frankfurt« umbenannt. Der bis heute gültige Name »Bahnhof Sportfeld« ist ein Relikt aus dieser Zeit. Ein Höhepunkt der »Sportfeld-Ära« war sicherlich der 400-Meter-Weltrekord des Dresdners Rudolf Harbig, den dieser am 12. August 1939 im Rennen gegen den Italiener Mario Lanzi aufstellte.
Den zweiten Weltkrieg überstand das Sportfeld relativ glimpflich. Von den Amerikanern am 1. Mai 1945 beschlagnahmt, wurde es in »Victory Park« umbenannt. Für Großereignisse gaben es die US-Behörden aber frei, und so versammelte sich Ende August 1946 die Leichtathletik-Elite der amerikanischen und britischen Zone in Frankfurt.
Auch der Bahnradsport erlebte seine große Zeit, am 15. August 1948 fanden die Deutschen Stehermeisterschaften über 100 Kilometer in Frankfurt statt, die der Bochumer Walter »Luft« Lohmann gewann. 1950 waren alle Beschlagnahmungen aufgehoben, und die Stadion GmbH war wieder Herr im eigenen Haus. Bis 1955 wurde die Hauptkampfbahn in eine riesige 87000 Zuschauer fassende Arena umgebaut. Für das legendäre Halbfinalspiel im Europapokal der Landesmeister des Deutschen Meisters Eintracht Frankfurt gegen die Glasgow Rangers am 13. April 1960 erhöhte man die Zahl der Sitzplätze auf 23000, wodurch die Gesamtkapazität auf 71000 Plätze schrumpfte. Das Spiel endete bekanntlich 5:1 für die Eintracht, dem im Finale allerdings ein 3:7 gegen Real Madrid folgte.
Der mit den Erfolgen der deutschen Paarlaufmeister Marika Kilius und Franz Ningel einhergehenden Eissportbegeisterung trug die Stadion GmbH Rechnung und eröffnete 1960 im Innenraum des Radstadions eine Kunsteisbahn. Großer Boxsport fand noch einmal am 10. September 1966 statt. Der Europameister Karl Mildenberger hielt zwölf Runden in der Schwergewichts-Weltmeisterschaft gegen Muhammad Ali mit und feierte mit dieser Niederlage einen seiner größten Erfolge.

Tennis-Boom und Open-Air-Konzerte
Nachdem das Waldstadion für die Fußballweltmeisterschaft für 28,5 Millionen Mark umgebaut worden war, erlebte es 1974 mit der Eröffnungsfeier und der legendären »Wasserschlacht von Frankfurt«, in der die deutsche Nationalmannschaft Polen mit 1:0 besiegte, sein größtes Jahr. Der Tennisboom der 80er-Jahre, ausgelöst durch die Erfolge von Boris Becker und Steffi Graf, führte, zum Bau eines der größten deutschen Tennisstadien an der Mörfelder Landstraße, dessen Center Court 5400 Zuschauern Platz bot. Folgerichtig wurde der Federation-Cup zwischen 1992 und 1994 in Frankfurt ausgetragen.
Musikgeschichte schrieb das Radstadion am 20. und 21. Juni 1970. Zehntausende Musikfans und »Hippies« besuchten den »Rock Circus«, bei dem Gruppen wie die The Byrds und Black Sabbath auftraten und der als erstes international besetztes Open-Air-Festival der Bundesrepublik gilt. In den 80er- und 90er-Jahren traten Supertramp, die Rolling Stones, U2 und Tina Turner im Waldstadion auf. 55 Millionen Besucher haben seit der Eröffnung den Weg ins mehrfach umgebaute Waldstadion gefunden, und die meisten Bewohner im Rhein-Main-Gebiet können von persönlich erlebten Höhepunkten im Waldstadion berichten. Mit eindrucksvollen Lichtbildern illustrierte Dr. Thomas Bauer seinen Rundgang durch 80 Jahre Frankfurter Stadt- und Sportgeschichte, dem man allerdings etwas mehr Zuhörer gewünscht hätte.

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