Exkursion Wetterauer Dorfkirchen Teil IV

Wetterauer Zeitung, 28.07.2005

»Viele Gotteshäuser zum Abschluss«

Geschichtsverein beendet seine Exkursionsreihe zu Wetterauer Kirchen


 

Friedberg. Zum vierten Mal war der Friedberger Geschichtsverein unter der Leitung seines Vorsitzenden Hans Wolf unterwegs zu Wetterauer Dorfkirchen. Wie in den vergangenen Jahren verstand es Wolf, auf anschauliche Weise anhand der Baugeschichte der Gotteshäuser die jeweilige Ortsgeschichte lebendig werden zu lassen und so ein Bild vom Werden der Wetterauer Gemeinden zu zeichnen, von den Schicksalen ihrer Bewohner und von ihrem Glauben.
Die Exkursion begann in der Ockstädter Jakobuskirche, wo Ortspfarrer Dr. Horst Gebhard die Besucher in dem für eine Dorfkirche außerordentlich großzügig dimensionierten Gotteshaus willkommen hieß. An die Stelle der ursprünglichen mittelalterlichen Kirche war hier um 1700 unter dem Patronat der Familie von und zu Franckenstein ein barocker Bau getreten, der um 1900 abgebrochen und durch die heutige neubarocke Basilika mit ihrer imposanten Doppelturmfassade ersetzt wurde.
Die Innenausstattung des unlängst renovierten Gotteshauses – eine Rokokokanzel von 1770, ein Taufstein von 1746, eine Grablegung Christi von 1736 und drei Altäre – stammt noch aus dem Vorgängerbau. Pfarrer Gebhard erläuterte die Exponate einer kleinen Ausstellung von Kelchen und Monstranzen aus gotischer und barocker Zeit und die Details des Margarethenaltars.
In der Baugeschichte der Ober-Mörler St. Remigiuskirche mit ihrer für die Wetterauer Kirchen so charakteristischen »Welschen Haube« spiegelt sich die wechselvolle Geschichte des Orts besonders eindrücklich. Das Patronat des heiligen Remigius weist auf eine alte fränkische Christianisierung des Orts. Eine Hälfte der Kirche kam später in Reichsbesitz und wurde um 1200 dem Deutschen Orden geschenkt, die andere Hälfte gehörte den Grafen von Cleeberg, kam aber 1220 ebenfalls an den Orden. 1546 war das Gotteshaus evangelisch geworden, 1605 wieder katholisch, 1632 noch einmal evangelisch, und es ist nun seit 1635 endgültig katholisch.
Vom Vorgängerbau der heutigen Kirche, der zu Beginn des 18. Jahrhunderts bei einem großen Brand zerstört wurde, ist nur ein Turm erhalten. An ihn wurde zwischen 1716 und 1728 die gegenwärtige Saalkirche angebaut.
Das Gambacher Gotteshaus mit seiner weithin sichtbaren dreistufigen Turmhaube wurde gegen Ende des 17. Jahrhunderts von Wilhelm Moritz von Solms-Braunfels auf einem von einer Mauer umgebenen Kirchhof als reformierte Predigtkirche – erkennbar an der Anordnung von Altar, Kanzel und Orgel – errichtet. Die Decke des Innenraums ist in Längsrichtung unterteilt, und durch die Emporen entsteht der Eindruck eines dreischiffigen Baus – eine Raumform, die sich in der Wetterau nur noch in Hoch-Weisel findet.
Ein Kleinod der Kirchenbaukunst stellt die um 1620 erbaute Wohnbacher Kirche dar. An der Renaissance-Stuckdecke schwebt über den Köpfen der Gemeinde neben Allegorien des Glaubens das Wappen derer von Solms-Laubach und macht so den Besuchern des Gottesdienstes die Herrschaftsverhältnisse unübersehbar deutlich.
Ein kurzer Besuch galt der auf dem Weg liegenden Stadt Nidda, in der noch ein »Johannisturm« von 1491 an die frühe Präsenz des Johanniterordens erinnert. Er unterhielt von 1187 an hier ein dem Kloster angegliedertes Hospital. Von der 1636 verwüsteten Pfeilerbasilika des Ordens ist nichts erhalten geblieben.
In der – neuen Niddaer Saalkirche zum Hl. Geist, am Anfang des 17. Jahrhunderts durch den Landgrafen von Hessen erbaut, ist zu beobachten, wie sich der Kirchenbau aus den mittelalterlichen Traditionen zu lösen versucht: Während der Chor noch gotisch ausgeführt ist, beherrscht der Renaissancestil den gesamten übrigen Bau.
Historischer Wandel ließ sich besonders eindrücklich an der evangelischen Kirche in Stornfels ablesen: Die ursprüngliche mittelalterliche Burg der Niddaer Grafen wurde später zu einem Amtsgebäude, einer Zehntscheuer, die wiederum 1837 zu einer evangelischen Kirche mit angeschlossenem Schulraum umgebaut wurde.
Die Kirche in Usenborn, einem Stadtteil von Ortenberg, geht auf eine Stiftung um das Jahr 1000 zurück. Das gotische Mauerwerk bewahrt noch Bogenfenster aus romanischer Zeit. Die gotischen „Wandgemälde“ im Inneren zeigen die zwölf Apostel, die vier Evangelisten mit ihren Symbolen und im gotischen Schlussstein den Pa¬tron der Kirche, den Hl. Laurentius. 1535 hatte Graf Ludwig zu Stolber-Königstein in Usenborn die Reformation eingeführt. Nicht alle Usenborner waren im 19. Jahrhundert bereit, sich der evangelischen Landeskirche anzuschließen. So gibt es hier von 1879 bis heute neben der landeskirchlichen Gemeinde eine selbstständige altlutherische Gemeinde.
Die Frauen der evangelischen Gemeinde hatten für die Teilnehmer der Exkursion ein reichhaltiges Kuchenbüfett vorbereitet, dem ausführlich und begeistert zugesprochen wurde. Hans Wolf bedankte sich im Namen der Gäste mit einer großzügigen Spende für die Gemeinde.
Die 2001 begonnene Reihe des Geschichtsvereins mit Besuchen Wetterauer Dorfkirchen fand damit ihren Abschluss. Sie erfreute sich über die Jahre hinweg eines lebhaften Zuspruchs und hat den Teilnehmern einen lebendigen Eindruck vom Werden der Wetterauer Dörfer und der wechselvollen Geschichte des Glaubens ihrer Bewohner vermittelt. Dem Initiator und Leiter dieser Erkundungen, Hans Wolf, gilt der Dank der im Lauf der vier Jahre nahezu 200 Teilnehmer, die seinen kundigen und lebendigen Ausführungen immer wieder interessiert und begeistert gefolgt waren.

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