Vortrag Bormann: Antworten auf Fragen nach Verstrickung und Schuld

Wetterauer Zeitung, 20.04.2004

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Martin Bormann, Sohn des gleichnamigen Hitlersekretärs, referierte über ein Leben im christlichen Glauben

von Hans Wolf

 

Zu einer außergewöhnlichen Vortragsveranstaltung hatten die katholische und die evangelische Kirchengemeinde und der Friedberger Geschichtsverein eingeladen und das Albert-Stohr-Haus war bis auf den letzten Platz gefüllt.
Martin Bormann, der Sohn des gleichnamigen Reichsleiters und Hitlersekretärs, sprach über sein „Leben gegen Schatten“. Die Initiative für diese Veranstaltung ging von Pfarrer Dr.Gebhardt (Ockstadt) aus, der den Gast begrüßte.

Bormann gliederte seinen Gesprächsvortrag klar und erzählte seine Erlebnisse während der Zeit des Umbruchs vom Herbst 1944 bis zum Sommer 1945 und bis zu seinem Theogiestudium in den fünfziger Jahren.
Anfangs waren seine Ausführungen vor allem wegen des zeitgeschichtlichen Hintergrundes interessant, der spätere Lebenslauf offenbarte den Glaubensweg, den der Redner als Ordensgeistlicher und Religionslehrer zurückgelegt hat.
Reichsleiter Martin Bormann hatte nach der Wende des Zweiten Weltkrieges als letzte Reserve den Volkssturm ins Leben gerufen, und genau dieser Organisation gehörte sein Sohn als Schüler einer NS-Parteischule am Starnberger See an und musste Panzergräben ausheben. Dann sollte seine Volkssturmeinheit mit der Bahn an die Italienfront verlegt werden, kam aber nur noch bis zum Brenner. Als sich die Südfront auflöste, konnte der Junge im Alter von 15 Jahren zurückkehren zum Obersalzberg, wo er seine Mutter und Geschwister aber nicht mehr vorfand. Die Bergbauernfamilie auf dem nahen Querleithof nahm den an Salmonellenvergiftung Erkrankten auf und unter falschem Namen konnte er hier das Kriegsende überleben, obwohl er schließlich erkannt wurde.
Aus Zeitungsberichten erfuhr er dann von den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen und dass sein Vater in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde. Die Leiche von Martin Bormann, der in der Nacht vom 1. auf den 2. Mai 1945 in Berlin ums Leben kam, wurde erst 1972 einwandfrei identifiziert.
Durch seine Zeitungslektüre öffneten sich ihm erste Einblicke in das verbrecherische Regime, dem sein Vater an führender Stelle gedient hatte. In der Familie wurde über Politik nie geredet. Seine jugendliche Frage an den Vater, was denn Nationalsozialismus sei, wurde lapidar beantwortet:“Der Wille des Führers“.

Durch die tätige Nächstenliebe seiner Pflegeeltern kam Bormann in Kontakt zur Volksmission, die die christliche Botschaft der Vergebung und Versöhnung verkündete. Hier fand er Antworten auf seine bangen Fragen nach Verstrickung und Schuld. Die Herz-Jesu-Missionare schickten ihn auf eine Schule nach Ingolstadt, wo er auch das Abitur machen konnte.
Kinder von Hauptschuldigen des NS-Regimes durften in der US-Zone keine weiterführende Schule besuchen, aber die Patres ließen ihn „hospitieren“. Im Jesuitenkolleg Innsbruck studierte er Theologie und erhielt 1958 die Priesterweihe. Nach einem Missionsaufenthalt im Kongo kehrte er nach Deutschland zurück und erlitt in der Oberpfalz einen fast tödlichen Verkehrsunfall. Die ihn pflegende Schwester, die vorher ebenfalls in Afrika tätig war, wurde seine Frau, nachdem er sich hatte laisieren lassen. Bis 1992 war er als Religionslehrer tätig und als Ruheständler hält er nun Vorträge.

In der anschließenden regen Aussprache musste Bormann viele Fragen beantworten, die er aber eigentlich nicht beantworten konnte, so nach der Persönlichkeit Hitlers. Er kennt ihn nur von Kakaoeinladungen für Kinder an seinem Geburtstag, wo er sich zwar mit Kindern fotografieren ließ, aber nicht mit ihnen sprach.
Oder die Frage nach der Sinnlosigkeit der Kriegsführung. Als Ergebnis diente stets die Auskunft über einen Führerbefehl an alle Dienststellen, dass über Einsätze nicht gesprochen werden durfte. So hat der junge Martin Bormann nichts erfahren vom NS-Regime außer durch die Propaganda, der er als Schüler einer NS-Eliteschule bis zu seinem 15. Lebensjahr ausgesetzt war.
Fragen nach seiner inneren Umkehr aufgrund späterer Erkenntnisse beantwortete er dahingehend, dass ihm der Weg zur Kirche und zum Glauben hierbei Hilfe bedeutet habe. Die Katastrophe des Zusammenbruchs habe entnazifizierend gewirkt und das tätige Christentum seiner Zieheltern auf dem Bauernhof. Hier hätte sich mancher Frager eine deutlichere Reflektion gewünscht.

Der Vorsitzende des Geschichtsvereins, Hans Wolf, dankte dem zahlreich erschienenen Publikum für seine Redebeiträge und dem Referenten für seine Ausführungen an diesem für Friedberg nicht gewöhnlichen Tag.

(Hier noch der Hinweis auf die Autobiographie Martin Bormanns jr.:
Martin Bormann: Leben gegen Schatten. Gelebte Zeit, geschenkte Zeit. Begegnungen, Erfahrungen, Folgerungen.
Bonifatius Druckerei 2003, ISBN 3-89710-133-5, Preis: 13,90 Euro)

Im Internet www.wetterauer-zeitung.de

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