Pfalz-Exkursion: In historisch und kulinarisch reizvoller Gegend

Wetterauer Zeitung, 24.06.2004

»In historisch und kulinarisch reizvoller Gegend«

Geschichtsverein unternahm eine Exkursion durch die Pfalz – Burgen, Kirchen und Synagogen besichtigt

von Hans Wolf

 

Dass die Pfalz mehr bedeutet als Wein, sondern auch Burgen, Kirchen und Synagogen aufweist, bewies die jüngste Exkursion des Friedberger Geschichtsvereins, die von Vorstandsmitglied Dr. Bernd Vielsmeier organisiert worden war. Dank seiner hervorragenden Ortskenntnise hatte er – assistiert von seiner Frau – in St. Martin Quartier bestellt. Das abendliche Buffet sowie die Weinprobe mit anschließendem Essen in Edesheim, wo mancher den durch einen berühmten Politiker salonfähig gewordenen Saumagen probierte, zeigten aber, dass gutes Essen und Wein eine Kulturfahrt durchaus bereichern.

Stätten jüdischen Glaubens begegnete die Reisegruppe in Weisenheim am Berg, wo aus einer ruinösen ehemaligen Dorfsynagoge, die zuletzt als Hühnerstall diente, durch die Initiative eines Fördervereins ein schmuckes örtliches Kulturzentrum wurde.
Die berühmte Mikwe in Speyer reicht zwar in der Tiefe nicht an die Friedberger heran, weist aber eine sehr wertvolle romanische Bauplastik auf. Auch ist sie komfortabler ausgestattet als die heimische. Sie besitzt Sitzbänke und einen Aufenthaltsraum für die Wärterin, die den rituellen Badevorgang überwacht.
Neben der Mikwe stand einst die größte romanische Synagoge unweit des größten romanischen Domes, ein Beweis dafür, wie mächtig die Bauherrn in Speyer im 11. Jahrhundert waren. Daneben lernte man aber in Kirrweiler auch eine ganz einfache Dorfmikwe kennen, die der Besitzer eines Fachwerkhauses zufällig unter seinem Keller entdeckte. Am Fuße einer ganz gewöhnlichen Kellertreppe befindet sich ein kleines Becken, das aber heutzutage nur zentimetertief mit Wasser bedeckt ist. Neben der reichen Gemeinde in der Stadt verfügten also auch kleine und arme Landgemeinden über alle für die Ausübung des Glaubens notwendigen Gebäude.

In Kirrweiler, einer einstigen Sommerresidenz der Speyrer Bischöfe, wurde ein Prosecco ausgeschenkt, der aber hier nicht den italienisch geschützten Namen tragen darf und daher in Anlehnung an die Lokalmatadorin Lieselotte von der Pfalz Lisecco heißt.

Der prachtvollen salischen Kirchenarchitektur begegnete der Verein in Limburg an der Haardt und im Speyrer Dom. In Limburg erläuterte Geschichtsvereinsvorsitzender Hans Wolf, wie die Gründung dieses Hausklosters für das salische Herrschergeschlecht durch Kaiser Konrad II. nicht nur das Seelenheil des Herrschers und seiner Gemahlin Gisela garantieren sollte, sondern auch das Heil für die gesamte Dynastie. Zerstört wurde die Abtei, deren Ruine heute sehr an die Hersfelder Stiftsruine erinnert, in einer Fehde zwischen den rivalisierenden Vögten von Leiningen und der Kurpfalz.

In Speyer führte Bernd Vielsmeier in die Baugeschichte des gewaltigen Dombaus ein und Wolf skizzierte die Bedeutung der in der Gruft beigesetzten deutschen Könige von Konrad II. bis hin zu Albrecht I. von Österreich. Die Gedächtniskirche in Speyer feiert in diesem Jahr ein Doppeljubiläum. Sie wurde vor 100 Jahren gebaut und durch weltweite Spenden evangelischer Kirchen finanziert, denn sie erinnert an den 475 Jahre zurückliegenden Protest der evangelischen Stände auf einem Reichstag in Speyer gegen die Rücknahme ihrer 3 Jahre zuvor gewährten Glaubensrechte. Von diesem Vorgang leitet sich der Name Protestanten für die Evangelischen ab. Die Dreifaltigkeitskirche ist der Frankfurter Katharinenkirche an der Hauptwache nachempfunden, weil dort die nach der Zerstörung ihrer Stadt im Pfälzer Erbfolgekrieg Geflohenen Kirchenasyl fanden und als Dank diese ihre religiöse Herberge zu Hause nachbauten.

Burgen gibt es am Rande des Pfälzer Waldes viele. Die Burg Neuleiningen, eine mächtige Anlage mit 4 runden Ecktürmen und einer gewaltigen Schildmauer, wurde von der in der Pfalz begüterten Grafenfamilie von Leiningen erbaut, als sie sich aus Altleiningen in einer Nebenlinie hier niederließ. Teilungen kennzeichnen überhaupt die Geschichte dieses Geschlechtes, das nach der Besetzung des linken Rheinufers in der Französischen Revolution rechtsrheinisch durch säkularisierten Kirchenbesitz entschädigt wurde – im Odenwald in Amorbach und in der Wetterau in Ilbenstadt.
Eine andere Burg, die Kästenburg, benannt nach der in der Haardt verbreiteten Esskastanie, wurde ebenfalls im für die Pfalz katastrophalen Jahr 1689 zerstört, als der französische General Melac alle Burgen bis hinüber zum Heidelberger Schloss in Flammen aufgehen ließ. In der Ruine versammelten sich dann im Mai 1832 überzeugte Demokraten und Republikaner auf Anregung eines Neustädter Komitees mit Joh.Chr.Siebenpfeifer an der Spitze, um im Nachklang an die französische Revolution von 1830 für Freiheit und gegen Unterdrückung zu demonstrieren. Hier wurde erstmals die heutige Bundesflagge als Fahne der Demokratie gezeigt.
Hans Wolf erläuterte diese Vorgänge und las einen Redeausschnitt von Wirth vor, aus dem hervorgeht, dass die erstrebte Freiheit vor allem gegen die Mächte der Heiligen Allianz Preußen, Österreich und Russland erkämpft werden musste und somit auch Italien und Polen zugute kommen würde. Hambach steht also auch für den Europagedanken.

In Freinsheim erlebte die Gruppe ein echtes Pfälzer Original als Stadtführerin, die dieses kleine Rothenburg mit einem geschlossenen Mauerring und 18 erhaltenen Türmen zeigte. Erstaunlich ist, dass die fest ummauerte Altstadt hier nicht wie andernorts verödet ist, sondern alle Häuser bewohnt bzw. sogar die Türme als Ferienwohnungen und Festräume vermietet sind. Die Reisegruppe dankte Bernd Vielsmeier, seiner Frau und Hans Wolf für die erlebnisreichen Tage in der landschaftlich, historisch und kulinarisch reizvollen Pfalz.

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