Exkursion zur Ausstellung über Landgraf Philipp von Hessen

Wetterauer Zeitung, 23.11.2004

»Landgraf Philipp – mutig, entschlossen, aber auch verwegen«

Geschichtsverein besuchte die Ausstellung über den hessischen Landesvater im Marburger Schloss – auch Sehenswürdigkeiten der Stadt besichtigt

von Margarete Wolf

 

Der Friedberger Geschichtsverein hatte in diesen Tagen zu einer Fahrt eingeladen, in deren Mittelpunkt der Besuch der Ausstellung zum 500. Geburtstag Landgraf Philipps des Großmütigen im Marburger Schloss stand. Vorsitzender Hans Wolf machte die Mitglieder schon auf der Anfahrt mit dem historischen Hintergrund zur Ausstellung vertraut. Er entwickelte „Das Werden Hessens“ (Motto der Ausstellung zur 700-Jahrfeier 1992) von 1292 an, als der erste Landgraf Heinrich in den Reichsfürstenstand erhoben wurde.

Beim Aufstieg zum Schloss konnten die Exkursionsteilnehmer prüfen, ob sie Ricarda Huchs Ansicht teilen, die in ihrem Buch „Das alte Reich“ meint, Marburg habe etwas von einer gotischen Kirche, die Stadt schwinge sich nach oben bis zur Krone, der Burg. Gewundene, steile Straßen und Gassen führen durch die historische Stadt vorbei am ehemaligen Dominikanerkloster, heute Alte Universität, zum Marktplatz und dem Rathaus mit seinem Relief der hessischen Landesmutter Elisabeth. Die Kugelgasse erinnert an die in klosterähnlicher Gemeinschaft lebenden Herren vom Gemeinsamen Leben, die Kugelherren, wie sie ihrer Kapuze, der cuculla wegen, heißen. Die gotische Marienkirche unterhalb des Schlosses fällt durch ihr hohes Dach mit Dachreiter auf. Die engen Platzverhältnisse erklären, warum es einen Karner, ein Beinbaus, in der Nähe gab. Am Weg zum Schloss liegen auch die Neue Kanzlei, die Sitz der Verwaltung war, und von Savignys Haus am Forsthof, für einige Jahre ein Mittelpunkt der Romantiker, denn der Universitätslehrer war mit Bettina Brentanos Schwester Gunda verheiratet.

Die Burg Marburg ist kurz vor 1140 urkundlich bezeugt und wird in den folgenden Jahrhunderten weiter ausgebaut, der Südflügel zu einem geräumigen Palas, die Schlosskapelle wird 1288 geweiht. Sie ist heute farbenfroh restauriert. Der Saalbau oder Fürstensaal aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts ist der größte erhaltene gotische Profanbau Hessens. In ihm beginnt die Ausstellung zum 500. Geburtstag Landgraf Philipps, der 1504 in Marburg geboren wurde. Der Gang durch die Ausstellung ist zugleich ein Gang durch das Schlossgebäude. Auf großer Ausstellungsfläche werden ca. 300 Objekte unterschiedlichster Art in Zusammenhang mit Philipps Vita gezeigt, u.a. seine deutschsprachige Lutherbibel, sein Prunkharnisch sowie bildhafte Darstellungen, die seine erste Begegnung mit Luther in Worms oder das Marburger Religionsgespräch von 1529 zeigen. Den Besuchern des Geschichtsvereins fiel der Bidenhänder des Reichsherold Kaspar Sturm, der Luther nach dem Reichstag von Worms begleitete, auf. Schließlich handelt es sich bei ihm um das sog. Lutherschwert aus dem Wetterau-Museum.

Ein großer Ausstellungsteil beschäftigt sich mit dem 16. Jahrhundert als einer Zeit der Reformen. Hessen steht damals im Zentrum der Reform. Der junge Landgraf Philipp tritt 1521 auf dem Reichtag zu Worms auf, vollzieht 1524 den eigenen Glaubenswechsel und zwei Jahre später wird in Hessen die Reformation eingeführt mit Unterstützung des Reformators Adam Kraft. Die ersten evangelischen Predigten finden in Alsfeld statt. Die Reformation bringt auch für die Stadt Marburg entscheidende Veränderungen. 1527 wird die Universität gegründet. Die Klöster werden säkularisiert, ihr Besitz geht an die Hohe Schule, bzw. die neu gegründeten Hohen Hospitäler. Der Staat übernimmt soziale Funktionen. In dem Religionsgespräch vom Oktober 1529 mit Luther und Zwingli führt Philipp den Vorsitz. Es gelingt ihm jedoch nicht, die beiden protestantischen Richtungen der Lutheraner und Reformierten zu einigen. Es bleibt bei der Spaltung. Die 15 Marburger Artikel als Gesprächsergebnis sind in der Ausstellung zu sehen. Philipp kümmert sich nicht nur um kirchliche Reformen. Es erscheinen die ersten geschriebenen Gesetzeswerke, die verbindliche Regeln für das Zusammenlebens im Alltag aufstellen. Dabei geht es auch um den Gewässerschutz, um die Fischerei- und Feuerordnung.

Landgraf Philipp, genannt der Großmütige, war mutig, entschlossen, aber auch verwegen und vermessen. Er hatte viele politische Erfolge, stärkte die Reformation und den Staatsgedanken allgemein, geriet jedoch in große Verstrickungen, nicht zuletzt wegen seiner Doppelehe. Mit diesen Problemen beschäftigt sich der letzte Teil der Ausstellung. Ein Gemälde zeigt Philipp mit Stricken umwunden, was heißen soll, dass er persönlich und politisch gescheitert ist. Philipp, seit 1523 mit Christina von Sachsen verheiratet, schließt 1540 eine Zweitehe mit Margarete von der Sale, was juristisch ein klarer Fall von Bigamie ist. Die Reaktion ist Empörung und führt auch zu politischer Isolation. Kaiser Karl V. verhängt 1547 die Reichsacht. Nach der Schlacht bei Mühlberg kapituliert Philipp und ergibt sich dem Kaiser. Erst nach 5 jähriger Haft kommt er wieder frei, nachdem Kurfürst Moritz von Sachsen im Passauer Vertrag seine Freilassung und die endgültige Anerkennung der lutherischen Konfession erzwungen hat. Philipp widmet sich nun als Landesvater dem Wiederaufbau der geschleiften Festungen und dem Neuaufbau seines Landes. In seinem Testament legt er die Teilung Hessens unter den Söhnen aus erster Ehe fest. Er stirbt im Alter von 62 Jahren in Kassel.
Die Landesausstellung stellt Landgraf Philipp den Großmütigen als herausragende, engagierte, aber sehr schillernde Persönlichkeit dar.

Die Exkursion des Geschichtsvereins führte anschließend zur Elisabethkirche, denn schließlich ist die ungarische Prinzessin Elisabeth und spätere Landgräfin von Thüringen die Stammmutter des Hessischen Landgrafenhauses. Ihre Tochter Sophie von Brabant proklamierte 1248 ihren erst vierjährigen Sohn als „Enkel der heiligen Elisabeth“ zum neuen Herren Hessens. In Marburg war seit 1227 Elisabeths Witwensitz. Sie errichtete ein Spital und verzehrte ihr Leben in der dienenden Liebe zu Christus. Bald nach ihrem frühen Tode 1231 setzten die Pilgerfahrten zu ihrem Grab ein. Auf Betreiben des Deutschen Ordens erfolgten schon 1235 ihre Heiligsprechung, die Erhebung ihrer Gebeine im Beisein Kaiser Friedrichs II. und die Grundsteinlegung der Kirche, die 1283 geweiht wurde. Die Kirche hatte drei Funktionen: Sie war Grabstätte der Heiligen Elisabeth und damit Wallfahrtskirche, Grabstätte der Hessischen Landgrafen und Ordenskirche der Deutschritter, die als Hüter dieser doppelten Grabstätte bestellt waren. Zum Schatz der Kirche gehört das Leben und Wirken der Heiligen, das in vielfältiger Weise dargestellt wird. Neben dem goldenen Schrein beeindruckt das Elisabethfenster.

Hans Wolf führte kenntnisreich in die geschichtlichen und kunstgeschichtlichen Zusammenhänge ein und zeigte bauliche Parallelen und Unterschiede zwischen der Elisabethkirche und der Friedberger Stadtkirche auf. Die Exkursion endete mit einem herrlichen Blick von den Lahnbergen auf das beleuchtete Marburg.

Im Internet www.wetterauer-zeitung.de

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