Dorfkirchenfahrt

Wetterauer Zeitung, 09.07.2004

»Remigiuskirche beeindruckte am meisten«

Dritte Exkursion des Geschichtsvereins zu mehreren Gotteshäusern vermittelte wieder viele Informationen

von Margarete Wolf

 

Der Einladung des Friedberger Geschichtsvereins zur dritten Dorfkirchenexkursion folgten mehr als 50 Mitglieder. Der Tagesausflug stand unter der Leitung des Vereinsvorsitzenden Hans Wolf, der die Ziele so gewählt hatte, dass nicht nur die große Vielfalt und Unterschiedlichkeit der dörflichen Kirchen im Kreisgebiet zur Geltung kam, sondern auch der Reichtum der historischen Bausubstanz. Die Reiseroute führte von Rodheim nach Bad Nauheim, von Melbach nach Reichelsheim, Staden und Altenstadt, von hier schließlich nach Büdingen und das Seemenbachtal aufwärts nach Wolferborn und Ober-Seemen.
Am eindrucksvollsten war der Besuch der Remigiuskirche auf dem Büdinger Friedhof, die eine besondere Kostbarkeit darstellt. Der T-förmige Raum hat im Untergeschoss Rundfenster und oben kleine romanische Fenster, eine alte Holzempore und eine Holzkonstruktion, durch die das Glockenseil läuft. Dendrochronologische Untersuchungen weisen auf eine Erbauung nach 1047 hin. Der Chorraum ist gotisch. Die romanische Kirche liegt in dem Wehrkirchhof des einst selbständigen Ortes Großendorf, heute Wüstung. Sie war ursprünglich Mutterkirche für einen großen Bereich, diente aber schon seit dem späten Mittelalter nur noch als Friedhofskirche. Gerade deshalb hat sie wohl ihre romanische Gestalt so gut bewahren können.

Dass auch Bad Nauheim Exkursionsziel war, liegt daran, dass der Besuch der Reinhardskirche galt und ihren baugeschichtlichen Zusammenhängen mit der Kirche in Rodheim. Sie ist die älteste noch erhaltene Kirche Bad Nauheims und wurde auf Veranlassung von Graf Johann Reinhard III. von Hanau 1732/33 nach Plänen von Chr.Ludwig Hermann als lutherische Kirche erbaut. Der Hanauer Architekt baute gleichzeitig eine lutherische Kirche für Graf Reinhard in Rodheim v.d.H. Sie ist ein Quersaal mit abgeschrägten Ecken und einem Fassadenturm im Süden, der in den Kirchenraum hineinragt. Nach einem Brand 1901 wurde sie von Hubert Kratz, der um die Jahrhundertwende in Friedberg die Stadtkirchenrenovierung durchführte, wieder aufgebaut. Dabei wurde das Innere verändert durch eine eigenwillige Holzkonstruktion im offenen Dachstuhl und schwere Holzemporen, die die Raumwirkung beengen. Zwei Linnemannfenster erinnerten die Besucher an die Stadtkirche.
Die Reinhardskirche in Bad Nauheim zeigt deutlich die Handschrift des Hanauer Architekten Hermann. Sie ist seit 1908 russische Kirche. Frau Gebauer erläuterte engagiert die Nutzungsgeschichte der ehemals lutherischen Kirche und erklärte die einem Lettner zu vergleichende Funktíon der Ikonostase allgemein sowie die Herkunft der Bad Nauheimer aus dem Kloster Sarow in Zentralrussland im Besonderen.

Auf der Weiterfahrt durch die Wetterau wurden Kirchen mit je eigenem Charakter besucht. Unter ihnen beeindruckt die Kirche in Reichelsheim besonders. Sie wurde vor 1485 als Hallenkirche erbaut und ist heute noch im Wesentlichen in ihrem spätmittelalterlichen Zustand erhalten. Sie besitzt ein dreischiffiges Langhaus zu drei Jochen, der Chor ist höher als das Mittelschiff und hat Wandmalereien. Hallenkirchen sind im dörflichen Bereich ausgesprochen selten, aber den Teilnehmern war die kleine Hallenkirche in Hitzkirchen von einer früheren Exkursion bekannt. Der Reichelsheimer Kirchturm mit seiner Aussichtsplattform war vermutlich in die Ortsbefestigung mit einbezogen.

Die heutige Kirche in Melbach ist eine Saalkirche aus dem 2.Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts mit geradem Abschluss, eine klassizistische Kirche mit dorischen Säulen ähnlich der Friedberger Burgkirche, aber längs gerichtet und in bräunlicher Farbstellung. Die Fenster sind rundbogige Sprossenfenster mit Zweiteilung, wodurch eine Durchschneidung der Fenster durch die inneren Emporen vermieden wird. Vier Ölgemälde aus der Vorgängerkirche zeigen Szenen aus dem Leben Johannes des Täufers.
Die Kirche in Staden wurde von demselben Architekten, Joh.Philipp Hofmann aus Gießen, erbaut (1831-37). Während in Melbach der Neubau auf dem mittelalterlichen Wehrkirchhof erfolgte, wurde in Staden ein neuer Standort am Ortsrand gewählt. Die Kirche ist heller und großzügiger als in Melbach, ein flach gedeckter Saal mit Apsis im Osten und Fassadenturm im Westen. Der Kirchenraum ist durch Säulen in drei Schiffe geteilt. Der Gedanke der geteilten Fenster wurde nicht wie in Melbach verwirklicht. Die Farben beige und hellgrün geben der klassizistischen Kirche eine besondere Würde.

Die Kirche in Altenstadt steht von der Lage in der Tradition der Wehrkirche. Ihr Turm ist im Kern gotisch, der Turmaufbau mit den verschieferten Ecktürmen weist auf den Wehrcharakter hin. Die Kirche selbst aus dem frühen 18. Jh. ist tonnengewölbt und hat einen polygonalen Schluss. Die Emporenmalereien als Bilderbibel prägen sich dem Betrachter ein.
Der alte Typ der Wehrkirche ist noch in Wolferborn vorhanden. Der wuchtige Turm mit Maulscharten ist gleichzeitig der Chor, also ein Chorturm. Das Kirchlein hat eine Holztonne und ist liebevoll restauriert. Ähnlich farbenfroh ist die Kirche in Ober-Seemen, die eine Stilmischung darstellt. Der Chor ist Teil einer mittelalterlichen Kapelle. Kirchenbaurechnungen aus dem 16. Jh. lassen auf die Existenz einer Kirche schließen, die vielfach umgebaut wurde und heute eine zweigeschossige Eempore besitzt, welche sogar über den Triumphbogen zum Chor hinwegführt. In dieser sehr bunten Kirche endete die Exkursion mit einem Psalmgebet, das die Pfarrerin las.

Bei dieser Tagesfahrt gab es viel zu sehen und reichlich Info zu Geschichte, Kunstgeschichte und kirchlichen Entwicklungen. Aber auch das leibliche Wohl kam nicht zu kurz. Die Damen des Kirchenchores Ober-Seemen hatten einen Kirchenkaffee ausgerichtet mit köstlichen selbst gebackenen Kuchen und Torten, für den sich Hans Wolf im Namen der Gäste aus Friedberg mit einer besonderen Spende für die Kirchengemeinde bedankte, wie auch in allen zuvor besuchten Kirchen. Dort galt der Dank der freundlichen Öffnung. Die Mittagseinkehr fand im schönen Ambiente des Hotels Schloss Ysenburg in Staden statt.

Hans Wolf durfte sich über eine dankbare Reisegruppe freuen, die seiner vielseitigen und gut organisierten Fahrt zu Kulturschätzen im heimischen Raum Lob und Anerkennung spendete. Er wurde ermuntert, im nächsten Jahr noch eine weitere Studienfahrt zur kirchlichen Kleinodien der Region anzubieten.
Im Internet www.wetterauer-zeitung.de

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