Die Geschichte der Wetterauer Dorfkirchen ist geschrieben

Frankfurter Rundschau (RheinMain & Frankfurt), 23.06.2004

»Die Geschichte der Wetterauer Dorfkirchen ist geschrieben«

Im Band 53 der Wetterauer Geschichtsblätter werden auch die Synagogen bedacht / Auf über 600 Seiten 124 Gotteshäuser gewürdigt

von Bruno Rieb

 

Der Friedberger Geschichtsverein lässt die Kirche im Dorf. „Kirchen und Synagogen in den Dörfern der Wetterau“ heißt der Band 53 seiner „Wetterauer Geschichtsblätter“. In dem 624 Seiten dicken Buch sind 99 Kirchen und 25 Synagogen beschrieben.
Die „Wetterau“ ist dabei nicht mit den heutigen Kreisgrenzen identisch, sondern kulturhistorisch bestimmt. Orte wie Ober-Erlenbach mit seiner markanten Kirche zählen die Autoren dazu, etliche Kommunen im Osten des heutigen Wetteraukreises dagegen nicht. In der eigens wie eigen definierten Wetterau haben die Autoren allerdings „nichts ausgelassen“, wie Johannes Kögler sagt. Der Leiter des Wetterau-Museums in Friedberg trug die redaktionelle Verantwortung für das Buch. Herausgeber ist der Marburger Architekturhistoriker Ulrich Schütte. Seine Seminare und Projekte am Kunstgeschichtlichen Institut der Philipps-Universität Marburg waren die Wurzeln des Werkes.

„Warum sieht meine Kirche so aus?“ Diese Frage bekommt der Leser in dem Buch beantwortet, sagt Erika Dittrich, eine der Autorinnen. „Den dörflichen Kleinkirchen ist eine Formensprache eigen, die sich vor allem an den ursprünglichen und vorrangigen liturgischen Zwecken orientiert (Altarraum für den Priester, Saal für die Gemeinde)“, erläutert Schütte im Kapitel über die Dorfkirchen „vom Hochmittelalter bis 1450“. Die Kleinkirchen mit ihren hohen Türmen und kleinen Sälen seien eine dörfliche Eigenheit. Chorturmkirchen mit ihrer Kombination von Turm und Altarbereich seien nur auf dem Lande zu finden. „Wir haben es hier mit einer eigenständigen Form dörflicher Sakralarchitektur zu tun, die sich nicht aus städtischen oder klösterlichen Großbauten ableiten lässt.“

Eine spezifische Kirchenarchitektur hat es laut Kögler in der Wetterau nicht gegeben. Im 18. Jahrhundert entstanden die meisten Gotteshäuser. „Rund 50 Prozent der evangelischen Dörfer in der Wetterau erhalten in dieser Zeit neue Kirchengebäude. Die Protestanten haben ein neues Selbstbewusstsein entwickelt, das in der Architektur zum Ausdruck kommt“, schreibt Kathrin Ellwart.

Die Kirchen in den katholischen Enklaven waren nach außen schlicht, entfalteten aber nach innen Pracht, hat Erika Dittrich herausgefunden, die die katholischen Dorfkirchen des 17. und 18. Jahrhunderts erforscht hat:“Aufgehoben wird das schlichte äußere Erscheinungsbild, das sich nur durch die Betonung des Chores von den protestantischen Kirchen abhebt, im Inneren der Gebäude, da alle Kirchen viele und anspruchsvolle Ausstattungsstücke besitzen.“

Wie bei den christlichen Gotteshäusern gab es auch bei den jüdischen keine besondere Wetterauer Architektur, stellte Susanne Gerschlauer fest. Die Dorfsynagogen der Wetterau seien durch den neoromanischen Stil geprägt gewesen. Erst im 19. und 20. Jahrhundert hätten die jüdischen Gemeinden sie mit einer aufwendigeren und auffälligeren Architektur gestaltet. „Heute, nach den Zerstörungen in der Zeit des Nationalsozialismus und nach der Umnutzung und Nichtbeachtung dieser Gebäude nach 1954, fallen die ehemaligen Synagogen weit weniger ins Auge als noch zur Zeit ihrer Erbauung“, heißt es im Vorwort des Buches.

Der Band teilt sich in 326 Seiten Textteil und 298 Seiten Anhang mit 254 Seiten Katalog, in dem die einzelnen Kirchen aufgelistet, beschrieben und meist auch abgebildet sind. Insgesamt enthält der Band 403 Abbildungen einschließlich rund 100 Grundrissen, zwei Karten und vier Grafiken. Die Auflage beträgt 880 Exemplare.

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