Band 53: Nachschlagewerk mit großer Materialfülle

Wetterauer Zeitung, 23.06.2004

»Nachschlagewerk mit großer Materialfülle«

Band 53 der Wetterauer Geschichtsblätter stellt die ‚Kirchen und Synagogen in den Dörfern der Wetterau‘ vor

von Jürgen Wagner

 

Die großen Kirchenbauten in den Städten sind architektonische Schaustücke des Strebens nach dem Himmel. Für die deutlich kleineren Dorfkirchen gilt das nicht minder, auch wenn die Verhältnisse auf dem Land etwas bescheidener als in der Stadt sind und die äußere Gestalt der Sakralbauten meist weniger kunstvoll ausgestattet ist. Die Sakralarchitekturen der christlichen Glaubensgemeinschaften überragten als die größten Bauten in einem Ort die Häuser und Höfe und wurden dadurch zum Zeichen der jeweiligen ländlichen Gemeinde.

Anders verhält es sich mit den Synagogen der jüdischen Gemeinden. Diese waren meist schlichterer baulicher Art und fallen heute, nach der Zerstörung in der Zeit des Nationalsozialismus und der Umnutzung nach 1945, weit weniger ins Auge als zur Zeit ihrer Erbauung.
Den 99 Kirchen und 25 Synagogen in den Dörfern der Wetterau ist der 53. Band der Wetterauer Geschichtsblätter gewidmet, den Johannes Kögler, Leiter des Wetterau-Museums, mit dem Geschichtsvereins-Vorsitzenden und zweien seiner Mitautoren der Presse vorstellte. Herausgeber des 624 Seiten starken Bandes, der 403 Abbildungen von Kirchen und Grundrissen enthält, ist der Marburger Architekturhistoriker Prof. Ulrich Schütte.
Wie Kögler erläuterte, haben die Autoren bei der Auswahl der vorzustellenden Dorfkirchen den Begriff „Wetterau“ geographisch verstanden und nicht im Sinne des heutigen Wetteraukreises. Das Untersuchungsgebiet erstreckt sich folglich im wesentlichen auf den Altkreis Friedberg und reicht von Bad Vilbel im Süden bis nach Gambach im Norden, von Münster und Hoch-Weisel im Westen bis nach Geiß-Nidda im Osten. Aufgenommen wurden auch die Kirchen aus den Orten, die zum Zeitpunkt des Baus noch keine Stadtrechte besaßen. So sind beispielsweise aus Bad Nauheim die Reinhardskirche, die Wilhelmskirche und die Johanniskirche aufgeführt, die Dorfkirchen der Friedberger Stadtteile sind ebenfalls vertreten.

Entstanden ist das Buch zu Beginn der 1990er-Jahre in Seminaren und Projekten am Kunstgeschichtlichen Institut der Philipps-Universität in Marburg. Ziel war es, die sakralen Kunstdenkmäler Mittelhessens zu inventarisieren. Auf diesen Ergebnissen aufbauend hat eine Arbeitsgruppe von acht Autoren die nun vorliegende Untersuchung erarbeitet. Entstanden ist ein umfangreiches und in dieser Art wohl einzigartiges Werk: In sieben Kapiteln wird ein Überblick über die Baugeschichte der Dorfkirchen und Synagogen gegeben.
Der Band beginnt mit zwei Aufsätzen von Ulrich Schütte und Johannes Kögler über die Dorfkirchen des Mittelalters vom Hochmittelalter bis 1450 und von 1450 bis zur Reformation. Es folgen fünf Aufsätze über die Dorfkirchen in verschiedenen Phasen der Neuzeit und die Synagogen der Wetterau; dabei wird im 17. und 18. Jahrhundert unterschieden zwischen protestantischen und katholischen Bauten.
Die Autoren untersuchen jeweils den Baubestand nach kunst- und architekturgeschichtlichen Kriterien, geben einen vergleichenden Überblick über die Bauwerke der jeweiligen Epoche und stellen beispielhafte Kirchen vor.

Die stärkste Bautätigkeit ist im 18. Jahrhundert zu verzeichnen, wobei den Gotteshäusern, die in diesem Jahrhundert entstanden, meist an gleicher Stelle mittelalterliche Vorgängerbauten vorangehen. „Die Kirchenneu- und umbauten des 18. Jahrhunderts prägen auch heute noch das Bild der Landschaft Wetterau“, schreibt Kathrin Ellwardt in ihrem Aufsatz „Die evangelischen Dorfkirchen des 18. Jahrhunderts“. „Die hohen mehrstufigen Hauben gelten als typisch für die Region.“
Deutlich wird in diesem Kapitel auch, dass die Protestanten jener Zeit ein neues Selbstbewusstsein entwickelt haben, „das in der Architektur zum Ausdruck kommt“. Neben der Architektur geben auch die Ausstattungen der Kirchen interessante Aufschlüsse über Baugeschichte und Nutzung der Kirchen.

Katalog aller 99 Dorfkirchen der Wetterau:
Den Abschluss des Bandes bilden neben Literaturverzeichnis und Glossar, das die wichtigsten Fachbegriffe von der Apsis bis zur Zwiebelhaube erklärt, ein „Katalog der Dorfkirchen“ sowie ein „Katalog der Synagogen“. Hier findet man in tabellarischer Form Angaben etwa über das Patronat der jeweiligen Kirche, die kirchenrechtliche Stellung, Baudaten sowie Literaturhinweise. Kögler, der auch für die Redaktion des Bandes verantwortlich zeigte, wünscht sich, dass die Leser auf eine Entdeckungsreise gehen und nach der Lektüre ihre eigene Kirche mit neuen Augen sehen. Die Detailfülle der Aufsätze macht dies möglich.
Das Interesse an den Dorfkirchen ist indes groß, wie Hans Wolf berichtet. Die Führungen, die er im Geschichtsverein anbietet, seien stets sofort ausgebucht.

Der Band 53 der Wetterauer Geschichtsblätter fällt wieder einmal aus dem Rahmen. Das 624 Seiten starke Werk dürfte zu den schwersten Ausgaben der renommierten Reihe gehören. Zudem ist der Band mit einem Preis von 39,80 Euro nicht eben billig. Die Materialfülle und die mehr als 400 Abbildungen machen den Band aber zu einem wichtigen Nachschlagewerk.

Im Internet www.wetterauer-zeitung.de

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