100 Jahre VfB Friedberg

Wetterauer Zeitung, 09.10.2004

»Als die Kicker pro Spiel 60 Mark bekamen…«

Erinnerungen an glorreiche Zeiten der VfB-Fußballer beim ‚Zeitgespräch‘ im vollbesetzten Klosterbau am Donnerstag

von Harald Schuchardt

 

Die Hoch-Zeit des VfB Friedberg, der in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen feiert, und die mit dem Traditionsverein eng verbundene Geschichte des Burgfelds standen im Mittelpunkt eines „Zeitgesprächs“ am Donnerstagabend im voll besetzten Klosterbau. Als gemeinsame Veranstalter hatten hierzu der VfB und der Geschichtsverein eingeladen, und dessen Vorsitzender Hans Wolf stellte in seiner Begrüßung fest, dass auch Vereine zur Stadtgeschichte gehörten.
„Der VfB ist nun einmal d e r Sportverein der Kreisstadt – die anderen Vereine mögen mir dies verzeihen“, meinte Wolf humorvoll und wies auf den ausgestellten Meisterwimpel hin, der dokumentiert, dass die Mannschaft in der Saison 1957/58 Süddeutscher Amateur-Meister wurde.
So solle der Abend dazu dienen, an ein Stück „Stadt- und Sozialgeschichte zu erinnern“, so Wolf, der sich bei seinem ersten „Heimspiel in der Saison 2004/2005“ über ein „recht fremdes Publikum“ freute, waren doch viele VfB-Mitglieder zu der ersten Veranstaltung des Geschichtsvereins im Winterhalbjahr 2004/2005 gekommen.

VfB-Vorsitzender Rolf Philippi freute sich über die große Resonanz, war doch der Raum nahezu voll besetzt. Der VfB-Vorsitzende übergab Wolf den Jubiläumswimpel und eine Spende als Dank für die Durchführung der Veranstaltung, was Wolf geschickt konterte: „Als Spielführer des Geschichtsvereins bin ich überrascht, da ich keinen Wimpel zum austauschen habe.“

Moderiert wurde das Gespräch vom Schriftführer des Geschichtsvereins, dem Ersten Stadtrat Michael Keller, der ebenfalls einen Jubiläumswimpel erhielt. „Wir wollen heute an die großen Erfolge des VfB nach dem Zweiten Weltkrieg erinnern, wohl wissend, dass es auch viele Tiefen gab“, meinte Keller und erinnerte zunächst an die allgemeine politische Lage Ende der 50er Jahre, „wo Adenauer immer noch Bundeskanzler war und wir Vollbeschäftigung hatten“.

„In der Kreisstadt leistete Elvis [Presley] seinen Dienst bei der US-Army, Scheich [König] Ibn Saud [von Saudi-Arabien] kurte in Bad Nauheim, und 5000 Zuschauer verfolgten im Januar 1959 auf dem Burgfeld ein Spiel des VfB gegen Hanau 93 – mehr als alle Elvisfans, die Friedberg und Bad Nauheim zu jener Zeit aufsuchten“, meinte Keller und bat die „Zeitzeugen“ auf die Bühne.
Es waren dies Walter Heinbuch, der direkt nach dem Krieg beim VfB begann, wieder Fußball zu spielen, Hennes Thaler, Mitglied der Meistermannschaft, Karlheinz „Gagges“ Müller, der in den frühen 60ern Stammspieler war, sowie Gottfried Helbig, der nach dem Aufstieg in die 2. Liga Süd vom Kassierer zum Geschäftsführer „aufstieg“, und Willi Hake, der über die Erfolge der Leichtathleten berichtete.

Die Basis für die großen Erfolge der Fußballer sei die Juniorenmannschaft gewesen, und die bestand überwiegend aus Friedbergern, erzählte Hennes Thaler, während Heinbuch zunächst über die Anfänge des VfB nach dem Krieg berichtete. Zu Auswärtsspielen sei man 1947 mit einem Holzvergaser-LKW der Firma Bindewald aus Dorheim gefahren, später dann mit einem Bus, und auf dem Weg nach Kassel kehrte man bei der Autobahnmeisterei in Alsfeld ein, wo die mitgenommene Suppe erwärmt wurde. Es war dies eine von vielen Anekdoten, die in den knapp zwei Stunden von den fünf VfBlern erzählt wurden und immer wieder für viele Lacher sorgten.

So berichteten Thaler, Heinbuch und Müller auch über Schlägereien unter den Besuchern und auch von mancher Freveltat der Mitspieler. „Wir hatten da einen, der trat dem Schiedsrichter auch schon mal in den Hintern“, sagte Müller, der von der aufgeheizten Atmosphäre bei Auswärtsspielen berichtete.
„Besonders in Lampertheim ging es hoch her“, erinnerte sich Heinbuch, und „da musste man die Schuhe schon fester schnüren“. In Kassel habe man nach einem Sieg fluchtartig den Platz verlassen, sei ohne zu duschen in den Bus gestiegen und habe noch den ebenfalls bedrohten Schiedsrichter aus Wetzlar mitgenommen.

„Doch mit den meisten Mannschaften hatten wir ein gutes Verhältnis, saßen oft nach den Spielen zusammen und sangen auch gemeinsam“, erzählte Müller. Die Frage Kellers nach der Bezahlung der damaligen Vertragsspieler beantwortete Helbig: „80 Mark gab es pro Spiel“ – worauf Thaler den Kopf schüttelte: „wir haben nur 60 Mark bekommen, und davon blieb nicht viel übrig.“
Zu einer „Mannschaftsrevolte“ sei es beinahe nach dem unglücklich verloren gegangenen Qualifikationsspiel um die deutsche Meisterschaft bei Rapid Wedding in Berlin gekommen. „5 Mark sollten wir da zusätzlich bekommen, schließlich haben wir uns auf 10 geeinigt“, erläuterte Thaler …
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Bis Ende der 60er Jahre befand sich das Burgfeld im Besitz des VfB, und auf der Tribüne mit über 150 Plätzen saßen „etliche Fanatiker immer auf dem selben Platz“, erzählten die Fußballer. Vereinseigene Platzwarte sorgten dafür, dass der Platz immer in einwandfreiem Zustand war.
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Viele Anekdoten wurden erzählt, und erinnert wurde auch an die Bürgermeister Fritz Bebber und Karl Raute, die den Verein tatkräftig unterstützten. So lud Raute, der von 1951 bis 1953 VfB-Vorsitzender war, die Spieler immer wieder mal nach Ziegenberg, dem Heimatort seiner Frau, zum Essen ein, „denn Hunger hatten wir oft“, erinnerte sich Thaler.
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Abschließend dankte Wolf allen Beteiligten und wies darauf hin, dass sich der Geschichtsverein im April nächsten Jahres mit der 80-jährigen Geschichte des Frankfurter Waldstadions beschäftigen werde, was sicher auch so manchen VfBler interessieren werde.

 

Im Internet www.wetterauer-zeitung.de

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