Presse 2015 Gießen

Die erste Exkursion des Jahres führte den Friedberger Geschichtsverein in die Geschichte der Naturwissenschaft und der Mathematik nach Gießen ins Liebig- Museum und ins Mathematikum.

Eberhard Theophel, pensionierter Lehrer und pädagogischer Leiter, gab mit einer Experimentalvorlesung und einer Führung durch die weitgehend erhaltenen Räume des zu Liebigs Zeiten zweimal erweiterten chemischen Instituts in humorvollem Vortrag einen umfassenden Überblick über das bewegte Leben und die außerordentliche Karriere des Gießener und Münchner Professors, eines Begründers der modernen Chemie. Die Experimente führten  spektakuläre Farben- und Knalleffekte vor, gingen bei der dahintersteckenden Chemie aber nicht zu sehr in die Tiefe

P1280181Bevor Liebig mit 21 Jahren zum Professor ernannt wurde, hatte er sich mit 16 Jahren eigenständig den aktuellen Wissenstand der Chemie angeeignet, angeregt durch das Farbenlabor seines Vaters und den häufigen Besuch bei den Jahrmarktsständen der Gaukler, wo die Tradition der Alchimie weiterlebte. Gescheitert war der naturwissenschaftlich Interessierte auf dem altsprachlichen Darmstädter Gymnasium und nach sechs Monaten als Heppenheimer Apothekerlehrling, als er bei einem Experiment in seinem Mansardenzimmer den Dachstuhl in die Luft jagte. Den mangels Abschluss erkauften Studienplatz, erst in Bonn, dann in Erlangen, setzte er durch Teilnahme an Studentenunruhen aufs Spiel; er wurde nach Paris geschickt, wo er bei herausragenden Chemikern studierte und   mit seiner experimentellen Methode Aufsehen erregte. In Abwesenheit wurde er in Erlangen promoviert, den Durchbruch brachte sein Vortrag an der Sorbonne zum Thema Knallsilber. Alexander von Humboldt, der unter den Hörern war, empfahl den jungen Wissenschaftler dem Großherzog als Professor für die Landesuniversität Gießen.

 

Nachdem das bei den Studenten unbeliebte Bataillon des Darmstädter Großherzogs die  Kaserne geräumt hatte, stellte die Universität Liebig eines der Wachhäuschen zur Verfügung. In beeindruckenden Vorlesungen und Experimentalübungen scharte er einen großen Schülerkreis um sich, aus dem berühmte Chemiker hervorgingen. Die Veranstaltungen mit etwa 40% Praxisanteil fanden mit wenigen Pausen von 6 bis 21:30 Uhr statt, samstags wurde regelmäßig geprüft und auch der Sonntag bei Kirchgang und Ausflügen gemeinsam verbracht. Durch zweckmäßige Anordnung des Labors und des Hörsaals und durch neuartige Apparaturen erreichte Liebig große Fortschritte in den Arbeitsabläufen und bei der Sicherheit. Bei einer Explosion im alten Labor hatte er ein steifes Knie davongetragen.

Auf dem Gebiet der Agrar- und der Tier- Chemie erzielte Liebig nach Jahren heftiger Fachdebatten auch wirtschaftlichen Erfolg, v.a. mit seinem berühmten Fleischextrakt, zusätzlich vermarktet mit Serienbildchen auf der Verpackung, und dem Mineraldünger. Berühmt auch die Massennahrungsmittel Backpulver und Babynahrung oder das Chloroform für Narkosen. Der von ihm erfundene Silberspiegel entsprach mit seiner bräunlichen Farbe zwar nicht der Mode, ersparte aber den lebensbedrohlichen Umgang mit Quecksilber.

Liebig legte großen Wert auf Vermittlung seiner Erkenntnisse in allgemein zugänglichen Publikationen wie der Tageszeitung oder seinen „Chemischen Briefen“. Er veranstaltete öffentliche Abendvorlesungen, die auch vom Münchner Hof besucht wurden.

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Im Mathematikum mit  seiner Sonderausstellung zum Alltags1x1 konnten die Besucher nach einem anregenden Einführungsvortrag an ausgewählten Stationen praktisch und interaktiv die Mathematik hinter den Versuchsanordnungen erkunden und dabei feststellen, dass in alltäglichem Geschehen, z.B. bei dem Versuch, einen Koffer optimal zu packen, oder bei der Schätzung von Teilnehmerzahlen bei Großveranstaltungen, mehr Mathematik steckt, als man gemeinhin annimmt.

Ein gelungener Auftakt für den Geschichtsverein, für dessen Vorbereitung und Organisation Hans Wolf zu danken ist.

 

 

Lothar Kreuzer

 

Vgl. Wetterauer Zeitung 31.1.2015

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